(Rosalux)
Gerda Weber (1923-2021).
Wichtige Exponentin der Linken der 1950er Jahre und bedeutende Kommunismusforscherin.
Von Florian Wilde.
Am 02.01.2021 ist Gerda Weber im Alter von 97 Jahren friedlich entschlafen. Sie war die Frau, engste Genossin und wichtigste Mitarbeiterin von Hermann Weber (1928-2014), dem «Nestor» der (west-)deutschen historischen Kommunismusforschung.
Gerda und Hermann Weber lernten sich 1947 auf der SED-Parteihochschule «Karl Marx» kennen. Auch wenn dort bei beiden bereits eine Entfremdung vom Stalinismus einsetzte, gingen sie Anfang der 1950er nach Westdeutschland, um dort den Aufbau der KPD voranzutreiben. Gerda wurde führende Funktionärin im kommunistisch beeinflussten Demokratischen Frauenbund Deutschland(DFD), er in der bereits verbotenen kommunistischen Freie Deutsche Jugend (FDJ). 1953 wurden beide verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Die Verhaftungen kamen gerade zu dem Zeitpunkt, als sie ihren schon länger geplanten und dann mehrfach verschobenen Bruch mit dem Stalinismus endlich öffentlich vollziehen wollten. Aus dem Gefängnis heraus aus der kommunistischen Bewegung auszutreten, kam für beide allerdings nicht in Frage, um vor den Genossen und der Polizei nicht als Überläufer zu erscheinen.
Gerda blieb von März bis Dezember 1953 inhaftiert. «Für Gerda und mich hieß es weiterhin, nicht zu verzagen, wie bisher lesen, den Arbeitsplan einhalten und gesund bleiben. Unsere Situation erschien mir verrückt. Mit dem Stalinismus hatte ich längst gebrochen, saß dennoch bereits über ein halbes Jahr als kommunistischer Rädelsführer im Gefängnis», erinnert sich Hermann Weber an die Zeit.
Erst nach der Freilassung konnte der Bruch mit dem Stalinismus – und dass hieß damals: mit der gesamten offiziellen kommunistischen Bewegung, in der beide tief verwurzelt waren – öffentlich vollzogen werden, auch wenn sich das Strafverfahren wegen «kommunistischer Umtriebe» noch bis 1958 hinzog. Ausgehend von eigenen Erfahrungen trieb die Webers nun ihr Leben lang die Frage um, worin die Ursachen der »Wandlung des Kommunismus aus einer Abspaltung von der sozialen Emanzipationsbewegung mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft hin zu einem System der Unterdrückung und des Massenterrors« lagen. Hermann Weber etwa provozierte seinen Ausschluss aus der KPD durch das Verschicken trotzkistischer Materialien an KPD-Funktionäre.
Der Bruch mit dem Stalinismus bedeutete für die Webers aber keineswegs einen Bruch mit dem Marxismus. Sie blieben linke Sozialisten, auf der Suche nach Alternativen sowohl zum Realsozialismus wie auch zur westdeutschen kapitalistischen Restauration. Eine Suche, die sie zunächst in engen Kontakt zu den verschiedenen Strömungen der nichtstalinistischen Linken der 50er Jahre brachte. «Diese deutsche Linke hatte nichts mit den sich links drapierenden stalinistischen Kommunisten zu tun, sondern stand in der Tradition der klassischen demokratischen Arbeiterbewegung. Sie erstrebte einen demokratischen Sozialismus, trat ein für Freiheit und soziale Gerechtigkeit. Die meisten unterstützten in den 50er Jahren die Parole ‚Weder Ost noch West’. In der breit gefächerten – wenn auch zahlenmäßig nur kleinen – Linken gab es keine einheitliche Programmatik, nur ansatzweise politische Strategien und kaum feste organisatorische Bindungen. […] Wir redeten uns die Köpfe heiß über die Aufgaben der Linken, suchten einen ‚dritten Weg’ jenseits von Kommunismus und restaurativem Kapitalismus», wie die beiden in ihren gemeinsamen Erinnerungen schrieben.
Wie viele dissidente KommunistInnen dieser Zeit traten die Webers schließlich in die SPD ein, waren dort aktiv in linken Zirkeln und weiterhin auf der Suche nach einem »Dritten Weg« (so auch der Name einer Zeitschrift, an der sie mitarbeiteten) zwischen Ost und West.
Gerda Weber fand nach ökonomisch prekären Jahren schließlich ihr Auskommen und Tätigkeitsfeld in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, publizierte über die DFD und die DDR-Frauenpolitik und verfasste gemeinsam mit ihrem Mann eine Lenin-Biographie. Der abiturlose Arbeitersohn Hermann begann in den 1960ern eine bemerkenswerte akademische Karriere, die ihn vom Gefängnisinsassen und Staatsfeind zum Professor und bedeutendsten westdeutschen Kommunismusforscher werden ließ. Die Webers bauten enge Kontakte zu den noch lebenden Veteran*innen der KPD der Weimarer Republik und ihrer oppositionellen Abspaltungen auf, besuchten und interviewten sie und verarbeiteten dies in Hermanns zahlreichen Büchern und biographischen Kompendien. Besonders eng war der Kontakt der beiden zu Rosa Meyer-Leviné in London, der Frau erst des Anführers der Münchener Räterepublik Eugene Leviné und nach dessen Hinrichtung des KPD-Vorsitzenden Ernst Meyer, die mit Hilfe der Webers ihre Erinnerungen veröffentlichte. Die Meriten dieser Forschungen und Publikationen kamen ganz Hermann Weber zugute, in der akademischen Welt stand Gerda immer in seinem Schatten. Dass seine Forschungsarbeit und seine politische Entwicklung von der SED über einen undogmatischen Marxismus zur linken Sozialdemokratie aber ohne die permanente Mitwirkung Gerdas überhaupt nicht denkbar gewesen wären, davon legt ihr 2005 erschienenes gemeinsames autobiographisches Werk «Leben nach dem ´Prinzip links´» deutliches Zeugnis ab, und auch die von ihnen zur dauerhaften Förderung der Auseinandersetzung mit der Kommunismusgeschichte gegründete Stiftung trägt ihrer beider Namen: Gerda-und-Hermann-Weber-Stiftung. Nachdem die Webers von der SED jahrzehntelang als «Antikommunisten» diffamiert worden waren, suchte die PDS den Kontakt und die Auseinandersetzung, und wichtige Werke Webers wurden im Berliner Dietz-Verlag veröffentlicht, in dem einst Schmähschriften über Hermann Weber erschienen waren.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung förderte in den letzten Jahren eine Reihe von Forschungsvorhaben, die entweder in direkter Tradition der Weberschen Thesen einer «Wandlung des Kommunismus» standen, oder sich produktiv mit ihr auseinandersetzten. Mit Gerda Weber ist nun eine wichtige Exponentin der Linken der 1950er Jahre und eine bedeutende Kommunismusforscherin dahingeschieden.