Bericht vom 3. Treffen des Gesprächskreises Gewerkschaften am 14.11.2014 in Frankfurt/Main.
Von Sarah Bormann und Florian Wilde.
Etwa 25 Mitglieder des Gesprächskreises Gewerkschaften der Rosa-Luxemburg-Stiftung kamen am 14. November zum dritten Treffen des Gesprächskreises in Frankfurt zusammen. Auf dem Programm stand vormittags eine strategische Grundsatzdiskussion mit Bernd Riexinger, dem Parteivorsitzenden der LINKEN, über „Strategische Optionen der Gewerkschaften unter der Großen Koalition und Anforderungen an die Partei Die Linke sowie an die Gewerkschaftsarbeit der ihr nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung“. Nachmittags standen dann Verständigungen über die künftige Arbeitsweise des Gesprächskreises auf der Tagesordnung.
Bernd Riexinger charakterisierte die Politik der Großen Koalition als den Versuch einer primär symbolischen Re-Regulierung der Arbeitsbeziehungen, die nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen gelte. So blieben die Einführung des Mindestlohns, die Mietpreisbremse und die Rentenreform halbherzig und seien nicht in der Lage, die eigentlichen Probleme – Niedriglöhne, Armutsrenten und explodierende Mieten – tatsächlich zu lösen. Diese Maßnahmen stünden für eine begrenzte Abkehr von der Politik der Agenda2010. Da das Re-Regulierungspulver der Regierung nun verschossen sei und für ernsthafte Reformmaßnahmen kein Geld vorhanden ist, weil die Regierung auf jeden Ansatz einer Umverteilung der Gewinne und Vermögen verzichtet, sei künftig mit einer Politik der noch größeren Nähe zu Kapitalinteressen zu rechnen.
Der SPD gelingt es nicht, von ihrer Politik der begrenzten Re-Regulierung bei Umfragen zu profitieren. Die LINKE bleibt bei Umfragen stabil, was durchaus beachtlich sei, da sich die Partei ja aus der Ablehnung der Agenda2010 gegründet habe, von der nun teilweise abgerückt werde. Dies spräche für eine Konsolidierung der Partei und für die Herausbildung einer Stammwählerschaft auch im Westen.
Als zentrale Herausforderung der nächsten Jahre für LINKE und Gewerkschafter gleichermaßen benannte Riexinger die Ausbreitung prekärer Arbeit und prekärer Lebensverhältnisse. Diese seien, unabhängig von konjunkturellen Schwankungen, als Werkverträge, als Leihbarbeit, als Befristung etc. fest in das Produktionsmodell des flexiblen Kapitalismus eingewebt und im Industrie- wie im Dienstleistungsbereich anzutreffen. Prekäre Arbeit funktioniere als Disziplinierungsmittel für gewerkschaftliche Kampfkraft und wirke in der Folge als Lohnbremse. Im Kampf dagegen dürften die Gewerkschaften nicht allein gelassen werden, zumal die Auseinandersetzung mit gewerkschaftlichen Mitteln allein auch nicht zu gewinnen sei. Im Gegenteil: es gelte, die betriebliche und tarifliche Ebene mit politischen Initiativen zu verbinden.
Deshalb werde die LINKE im Frühjahr 2015 eine Kampagne „Das muss drin sein!“ gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse starten. Sie zielt darauf ab, prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse zu thematisieren, zum gesellschaftlichen Skandal zu machen und zurückzudrängen. Die Tarifbindung des Kernbetriebes müsse künftig auch für Werkverträgler gelten, sachgrundlose Befristungen gehören abgeschafft und Sozialversicherungspflicht müsse ab dem ersten Tag bestehen. Diese klassischen politischen Initiativen müssten mit den Gewerkschaften diskutiert und abgestimmt werden. Dabei sei darauf zu achten, dass immer eine Linie zu den Kernbelegschaften gezogen wird: Da die Prekarisierung der Arbeitswelt tendenziell alle Beschäftigten bedrohe, müsse der Kampf dagegen zum Anliegen aller Beschäftigten werden. Riexinger nannte fünf Forderungen, die im Zentrum der Kampagne stehen sollen und von denen zwei auf die Arbeitswelt, zwei auf die Lebenswelt und eine auf beide gerichtet sein: Befristung stoppen; Arbeit umverteilen; Mindestsicherung ohne Sanktionen; bezahlbarer Wohnraum und Energie für alle; mehr Personal für Pflege, Gesundheit und Bildung.
In der anschließenden Diskussion regte eine Kollegin an, das Thema Arbeitszeit wieder stärker nach vorne zu schieben. Ein anderer argumentierte, dass sich viele Gewerkschafter wieder stärker hin zur SPD orientieren würden, was sich auch in der Bereitschaft vieler Gewerkschafter zeige, beim Thema Tarifeinheit einen Eingriff der Regierung in das Streikrecht zu akzeptieren. Aus linker Perspektive sei bei der Frage der Tarifeinheit eine Anrufung der Notwendigkeit einer Einheitsgewerkschaft nicht mehr ausreichend. Diese müsse vielmehr inhaltlich ausargumentiert werden, wo auch die RLS durch entsprechende Bildungsmaterialien einen Beitrag zu leisten könne. Eine für das Frühjahr 2015 in Erfurt geplante Konferenz der RLS zum Thema Tarifeinheit wurde durch Peeter Raane, Mitglied im Vorstand der RLS, vorgestellt. Hervorgehoben wurde in verschiedenen Beiträgen der Erfolg der 2. Konferenz „Erneuerung durch Streik“ und dabei besonders die Tatsache, dass dieses Mal fast 80 Metaller unter den 700 Teilnehmenden in Hannover waren.
In Bezug auf das Thema prekärer Arbeit war vielen Teilnehmenden ein weiter Klassenbegriff ein wichtiges Anliegen. Die Frage „was ist die Arbeiterklasse heute?“ müsse intensiver bearbeitet werden. Eine Kollegin aus der IG Metall merkte zur geplanten Kampagne gegen prekäre Arbeit an, dass die Entwicklungen in der Arbeit – Stichwort: indirekte Steuerung – nicht außer Acht gelassen werden dürften. Auch Themen wie Gesundheitsschutz, Stress, Arbeitsbelastung und als Antwort Arbeitszeitverkürzungen im Plural sollten von Gewerkschaften und politischer Linke offensiver angegangen werden.
Am Nachmittag stellten Sybille Stamm und Frank Deppe, beide Mitglied im Vorstand der RLS, Vorschläge für die künftige Arbeitsweise des Gesprächskreises Gewerkschaften der RLS vor. Dieser hatte sich 2011 mit 50 TeilnehmerInnen gegründet. Beim zweiten Treffen zum Thema „politische Streiks“ waren 2012 sogar 70 Personen gekommen. Das Treffen 2013 musste aus terminlichen Gründen abgesagt werden. Stamm und Deppe plädierten für künftig regelmäßigere Treffen, die dann auch in kleineren Runden tagen können, in einem Turnus von 2-3 Treffen pro Jahr. Sie sollten als Tagesveranstaltungen (samstags) an wechselnden, dennoch zentral erreichbaren Orten von 11:00 bis 17:00h stattfinden, sodass An- und Abreise am gleichen Tag möglich sind. Das erlaube zwei Diskussionsrunden pro Treffen. Die erste Diskussionsrunde könnte mit einem wissenschaftlichen Aufschlag beginnen. Die Diskussionsrunde könnte von RepräsentantInnen verschiedener Gewerkschaften sowie möglicherweise VertreterInnen der zivilgesellschaftlichen und politischen Linken eröffnet werden. In jeder Runde ist genügend Diskussionszeit im Plenum einzuplanen. Ein weiterer Zeitblock sollte für die Diskussion aktueller gewerkschaftspolitischer Fragen reserviert sein. Als Themen der nächsten Treffen schlugen sie die Themen Einheitsgewerkschaft, Prekarisierung und internationale Solidarität. Aus dem Plenum wurden außerdem Arbeitszeitverkürzung, indirekte Steuerung und gewerkschaftliche Bildungsarbeit als mögliche Themen künftiger Treffen vorgeschlagen.
Sarah Bormann und Florian Wilde berichteten abschließend über für das Jahr 2015 geplante Aktivitäten der RLS im Feld Arbeit und Gewerkschaft: Neben dem Symposion zum Thema Tarifeinheit und der Teilnahme mit eigenen Veranstaltungen am Weltsozialforum im Tunis Ende März wird es 2015 einen Schwerpunkt auf das Thema Sorgearbeit geben. Unter anderem ist eine bundesweite Veranstaltung zu der Aufwertungskampagne in den Sozial- und Erziehungsberufen und eine „Strategiekonferenz Gesundheit und Pflege“ in einem breiten Bündnis für Oktober geplant.