(neues deutschland)
Die am Donnerstag beginnende Konferenz »Erneuerung durch Streik II« in Hannover folgt auf eine erste Konferenz im März 2013. Was hat sich seither getan?
FW: Wir konnten die Veranstaltung in Hannover auf eine viel breitere organisatorische Basis stellen. In Stuttgart haben wir voriges Jahr den größten Teil der Organisation getragen, mit Unterstützung von ver.di vor Ort. Dieses Mal sind neben ver.di Hannover als Mitveranstalter auch die lokalen Stellen von IG Metall, IG BAU, NGG und GEW als UnterstützerInnen dabei. In den Bundesvorständen der einen oder anderen Gewerkschaft sind wir sicherlich nicht nur auf Gegenliebe gestoßen, aber das Projekt wächst weiter.
Das heißt?
Es gab für die Konferenz 550 Anmeldungen. Wir haben mit der und seit der Konferenz in Stuttgart Räume geschaffen, in denen ein direkter Austausch zwischen betrieblichen Aktiven stattfinden kann. Solche Foren bieten die Gewerkschaften noch zu wenig an. Wann können sich die Beschäftigten von H&M in Stuttgart beispielsweise mit ihren Kolleginnen aus der Filiale Berlin-Friedrichstraße beraten? Mit den Branchenratschlägen von Linksfraktion, Rosa-Luxemburg-Stiftung und Gewerkschaften hat sich diese Methode ein Stück weit verselbstständigt. Das ist ein gutes Ergebnis der ersten Streikkonferenz.
Hat sich die inhaltliche Ausrichtung geändert?
Die Stuttgarter Konferenz drehte sich um die Frage, wie die sich seit Jahren in der Defensive befindlichen Gewerkschaften mit neuen Streikstrategien wieder in die Offensive kommen können. In Hannover haben wir den Fokus Richtung Beteiligungs- und Konfliktorientierung erweitert. Eine wichtige Rolle spielt auch die Solidaritätsarbeit. Und damit die Frage, wie es gelingen kann, dass Auseinandersetzungen im Betrieb oder in einzelnen Branchen immer auch als gesamtgesellschaftliche Kämpfe wahrgenommen werden. An dieser Stelle ist auch die Linkspartei gefragt. Sie kann durch Streikunterstützung einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung realer Durchsetzungsperspektiven für die Interessen abhängig Beschäftigter leisten.
Was heißt Unterstützung von außen für Sie konkret?
Das ist von Konflikt zu Konflikt unterschiedlich. Im Einzelhandel hat es geholfen, dass nicht-gewerkschaftliche Unterstützer beispielsweise auch mal einen Streikposten besetzt haben. Das ist in Auseinandersetzungen etwa in der Metallbranche seltener nötig. Es kann um die Beteiligung an Demonstrationen gehen oder um den Aufbau von Bündnissen etwa von Eltern, die einen Streik der Erzieherinnen unterstützen. Es geht aber auch um die Politisierung von Auseinandersetzungen. Denn wichtig ist, dass alle Arbeitskämpfe als Teil eines globalen Kampfes um Umverteilung angesehen werden.
Besonders international sieht das Konferenzprogramm aber nicht aus.
Sicherlich liegt der Fokus auf Deutschland und den Auseinandersetzungen hier, aber von jeder Lohnerhöhung, von jeder signifikanten Verbesserung der Arbeitsbedingungen hier profitieren ja auch die Kolleginnen und Kollegen in Südeuropa. Denn diese schwächen die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals. Und wir haben zum Auftakt GewerkschafterInnen aus verschiedenen europäischen Staaten zu Gast, die ihre Kämpfe in Branchen mit einem hohen Anteil prekärer Beschäftigung vorstellen. Neu im Programm: die Auseinandersetzungen um die deutsche Flüchtlingspolitik. Hier setzte ver.di in Hamburg mit der gewerkschaftlichen Organisierung von 300 illegalisierten Flüchtlingen ein wichtiges Signal.
»Wir eröffnen Räume«. Florian Wilde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung über Umverteilungskämpfe und die Streikkonferenz in Hannover. In: neues deutschland, 02.10.2014
Florian Wilde ist wissenschaftlicher Referent für Gewerkschaftspolitik im Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der 37-Jährige organisierte zusammen mit seiner Kollegin Fanny Zeise die Streikkonferenz in Stuttgart 2013 und die an diesem Wochenende in Hannover stattfindende Streikkonferenz II. Mit ihm sprach Jörg Meyer.
Programm und Info zur Konferenz www.rosalux.de/streikkonferenz