Erfolgreiche Arbeitskämpfe

Mehr als 500 Gewerkschaftsaktive, ForscherInnen und Studierende kamen Anfang März zur Konferenz «Erneuerung durch Streik» ins Stuttgarter Gewerkschaftshaus. Auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und von Verdi Stuttgart tauschten sie sich über Streikerfahrungen aus.
«Es gibt keine wissenschaftliche Sozialkritik ohne Sozialkritik in der Praxis.» So beschrieb Klaus Dörre von der Universität Jena in der Abschlussrede sein Verständnis kritischer Wissenschaft und würdigte die auf der Konferenz zusammengetragenen praktischen Erkenntnisse. Neben dem Erfahrungsaustausch ging es in den drei Tagen aber auch um gewerkschaftliche Erneuerung durch eine aktive und demokratische Streikkultur. Bernd Riexinger, ehemaliger Geschäftsführer von Verdi Stuttgart, berichtete, wie eine solche Streikkultur im Südwesten über Jahre hinweg aufgebaut wurde. Wichtig sei die demokratische Funktion der Streikversammlung, in der die Streikenden zusammenkommen, und gemeinsam die Strategie entwickeln: «So entstehen
eine große Kampfkraft und ein hohes Verantwortungsbewusstsein.»
Ähnliche Erfahrungen mit der Einbeziehung von Beschäftigten in die
Streikentscheidungen steuerte Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter
der IG Metall in Hanau-Fulda, bei. Im Arbeitskampf in der
Vacuumschmelze Hanau berieten die 1.500 Beschäftigten jeden
Schritt. In der Urabstimmung sprachen sich dann 94 Prozent der
Belegschaft für einen unbefristeten Streik aus, an dessen Ende der
Arbeitergeber die Tarifbindung akzeptieren musste.
Dass das auch in prekären Bereichen klappen kann, machten Kolleginnen
aus dem Einzelhandel deutlich. Früher, so Christina Frank von
Verdi Stuttgart, sei ein mehrtägiger Streik im Einzelhandel wegen der
extrem flexibilisierten Arbeitsverhältnisse kaum vorstellbar gewesen.
«Aber als wir dann erstmal Kontakt zu den jungen Frauen hatten, entwickelte
sich eine unglaubliche Kreativität.» Spontane Arbeitsniederlegungen,
die den Einsatz flexibler Kräfte und damit den Streikbruch
erschweren, wurden gemeinsam entwickelt. Dass neben der Motivation
der Beschäftigten auch öffentlicher Druck eine wichtige Rolle
spielen kann, machte die Betriebsrätin Bärbel Thamhayn am Beispiel
der Auseinandersetzung bei EDEKA deutlich. Oftmals sei Unterstützung
von außen nötig, um rabiaten Arbeitsgeberstrategien etwas
entgegenzusetzen und den Streikenden Mut zu machen. Diese Erfahrungen
wurden auch mit Blick auf den anstehenden Großkonflikt im
Einzelhandel ausgewertet. Um Gewerkschaften zu stärken, so der
Tenor der Konferenz, müsse das wichtigste Machtmittel der Gewerkschaften,
der Streik, offensiv und innovativ genutzt werden. «Viel
hängt vom Handeln der Akteure ab», konstatierte Klaus Dörre und
betonte, Gewerkschaften hätten – auch in Krisenzeiten – eine «strategische
Wahl». Die Diskussion über Streikstrategien und konkrete
Schritte soll auf regionalen Treffen und in Publikationen weitergeführt
werden. Angedacht ist auch eine Folgekonferenz in Hannover.
Mehr unter www.rosalux.de/documentation/46538.

FLORIAN WILDE gehört dem VORSTAND DER Partei DIE LINKE an .
FANNY ZEISE IST REFERENTIN FÜR ARBEIT, PRODUKTION, GEWERKSCHAFTEN IN DER ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG

Erfolgreiche Arbeitskämpfe. GewerkschafterInnen diskutieren in Stuttgart über Streikstrategien, von Fanny Zeise und Florian Wilde, in: RosaLux 1/2013