(LuXemburg) »Historical Materialism«.
Rückblick auf die Konferenz in Athen.
Vom 2. bis 5. Mai fand zum ersten Mal eine Konferenz von »Historical Materialism« in Athen statt. Seit 2003 werden die Jahreskonferenzen dieses internationalen Netzwerkes marxistischer Wissenschaftler*innen immer im November in London abgehalten. Zusätzlich gibt es Veranstaltungen in anderen Ländern und Städten, darunter New York. Nun also tagte »Historical Materialism« unter dem Titel »Rethinking Crisis, Resistance and Strategy« erstmals in Griechenland und erstmals inoffizieller Kooperation mit einem Regionalbüro derRosa-Luxemburg-Stiftung.
Über 700 Menschen folgten der Einladung in dieAthener Panteion-Universität, um über Krise undWiderstand zu diskutieren. Auf einer der zentralen Plenumsveranstaltungen »For a Strategy of Revolution We Need a Revolution of our Strategies« spra-chen unter anderem Catarina Príncipe (Portugal), Ines Schwerdtner (Deutschland), Josep Maria Antentas (Katalonien) und Panagiotis Sotiris (Griechen-land). Der Ort war gut gewählt für eine Reflexion dieser Themen, hat doch die erzwungene Kapitu- lation der SYRIZA-Regierung gegenüber der Troika- Politik fundamentale strategische Fragen für die gesamte europäische Linke aufgeworfen. Gleichzei- tig lassen sich an Griechenland die verheerenden Auswirkungen der ökonomischen Krise, aber auch der Niedergang antineoliberaler Widerstandsbewegungen in den letzten Jahren exemplarisch nach- vollziehen. Auffallend war die breite Beteiligung von Wissenschaftler*innen aus dem Balkan und ausOsteuropa, für die ein Visum für Großbritannien oftschwer zu bekommen oder schlicht zu teuer ist. Insofern hat die Athener Konferenz die Reichweitevon »Historical Materialism« vergrößert und mehr Stimmen aus der ›europäischen Peripherie‹ in inter-nationale Debatten involviert.
In den insgesamt 128 Panels mit über 400 Referent*innen spiegelte sich die ganze Bandbreite zeitgenössischer marxistischer Forschung zu Politik, Geschichte, Philosophie, Kunst und Kultur. Es waren vor allem Jüngere, die ihre Forschungsergebnisse vor- und zur Diskussion stellten. Vielen von ihnen bot die Konferenz eine wohl einzigartige Möglichkeit, sich mit ähnlich gesinnten Wissenschaftler*innen aus aller Wel tauszutauschen. Eine prominente Rolle spielte der griechische Ökonom Costas Lapavitsas, dessen polemische EU-Kritik für viele Kontroversen sorgte –wiederum ein Ausdruck der strategischen Krise der Linken.
Die mehrtägigen Historical-Materialism-Konferenzen haben sich zu den international wohl bedeutendsten regelmäßig stattfindenden wissenschaftlichen Events entwickelt, die sich mit Fragen eines politischen Marxismus befassen, sowie zu einem wichtigen Ort für den Austausch marxistischer Wissenschaftler*innen. Die 16. Jahrestagung wirdvom 7. bis 10. November unter dem Motto »Thunder Claps: Disaster Communism, Extinction Capitalism, and How to Survive Tomorrow« an der School of Oriental and African Studies der University of London stattfinden, wieder mit reger Beteiligung aus dem Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Florian Wilde und Loren Balhorn
Mehr Infos: www.historicalmaterialism.org/
Veröffentlicht in LuXemburg – Gesellschaftsanalyse und linke Praxis