Kein G20 in unserer Stadt!
Die Hamburger LINKSFRAKTION bereitet die Proteste gegen den G20-Gipfel mit vor.
Von Florian Wilde, in: BürgerInnenbrief der Hamburger Linksfraktion, 21.03.17, S.7f.
Dass die Hamburger keine internationalen Prestige-Events in ihrer Stadt wollen, haben sie bei der Abstimmung über die Olympia-Bewerbung deutlich zum Ausdruck gebracht. Auch, weil nach dem Kostendesaster um die Elbphilharmonie jedes Vertrauen in den Senat verloren gegangen ist, solche Projekte im angekündigten Finanzrahmen zu bewältigen.
Und trotzdem will der Senat im Juli ein weiteres Großevent in die Stadt holen: den G20-Gipfel der Regierungschefs der reichsten und mächtigsten Industrie- und Schwellenländer. Am 7. und 8. Juli sollen sie in den Messehallen, aber auch im Rathaus und der Elbphilharmonie zusammenkommen und werden die Stadt in eine Art Ausnahmezustand versetzen. Dutzende Delegationen mit tausenden Teilnehmern, Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen und Journalisten müssen untergebracht, viele Straßen gesperrt und ganze Stadtteile in Hochsicherheitszonen verwandelt werden.
Die LINKE ist die einzige Partei in der Hamburgischen Bürgerschaft, die den G20-Gipfel in der Hansestadt von Anbeginn an ablehnte.
Wir sind dagegen, weil
- die G20 für eine Politik der Bankenrettung durch den Steuerzahler, für eine Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben und für eine reine Wachstumsorientierung stehen, in der die Klimaschutzziele ins Hintertreffen geraten. Menschenrechte und Meinungsfreiheit sind in vielen G20-Staaten eingeschränkt. Die Gipfel sind Ausdruck der herrschenden Weltordnung und Bühne für deren mächtigste politischen Akteure. Ihre übergeordnete Aufgabe war und ist, den neoliberalen Finanzmarktkapitalismus in nur wenig angepasster Form fortzuführen.
Die G20 sind dabei zu einer zentralen Institution geworden, um das Überleben einer Weltordnung abzusichern, welche die Ursache für Millionen Flüchtlinge, für ständige Umverteilung nach oben, für Umweltzerstörung und Kriege ist. - wir es unverantwortlich finden, den G20-Gipfel mitten in eine Millionenstadt wie Hamburg und dann auch noch quasi ins Karoviertel zu holen. Beim letzten derartigen Gipfel in einer Metropole des europäischen Festlandes in Genua war es zu massiven Auseinandersetzungen gekommen
- wir nach den Erfahrungen mit dem „Gefahrengebiet“ in St. Pauli Anfang 2013 die Umwandlung ganzer Stadtteile in Hochsicherheitszonen haben ablehnen
- die Kosten für den Gipfel völlig unabsehbar sind. Beim G20-Gipfel in Toronto (Kanada) 2010 hatte die Regierung zunächst Kosten von 179 Mio. $ veranschlagt. Die tatsächlichen Kosten lagen dann nach Regierungsangaben bei 858 Mio. $. Nach den Erfahrungen mit der Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie ist davon auszugehen, dass der Hamburger Senat auch die Gipfelkosten nicht in den Griff kriegen wird. Wir finden: Die Gipfelmillionen wären für Bildung, Soziales und Umwelt in Hamburg weit besser angelegt!
Die Gäste, die der Hamburger Senat mit dem Gipfel in die Stadt holt, wirken wie eine Parade der Monster: Donald Trump mit seiner rassistischen, sexistischen und umweltfeindlichen Politik; Erdogan, der sein Land in einen Bürgerkrieg und eine offene Diktatur steuert; Vladimir Putin, der Schwule, Lesben und Demokraten verfolgen lässt; der König von Saudi-Arabien, in dessen Land Frauen kein Auto fahren dürfen und Dieben die Hände abgehackt werden.
Wir wollen nicht, dass Hamburg zur Bühne eines gigantischen Schaulaufens der Unsympathen verkommt!
Gegen den G20-Gipfel hat sich ein breites Protestbündnis formiert, das von kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppen über entwicklungspolitische Initiativen und Parteien wie den Grünen und den Piraten bis zu linksradikalen Gruppen reicht. Auch DIE LINKE ist von Anfang an Teil dieses Bündnisses.
Wenn Anfang Juli die Staatschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer zum G20-Gipfel in Hamburg zusammenkommen, dürften sie dort von einem der größten Gipfelproteste der deutschen Geschichte empfangen werden. Die bisherigen Schätzungen liegen zwischen 60.000 und 100.000 erwarteten Teilnehmern alleine bei der für den 8.7. geplanten Großdemonstration. Sollte sich die weltpolitische Lage in den kommenden Monaten in einem Tempo verschärften, wie es sich seit dem Amtsantritt des amerikanischen Präsidenten Donald Trump abzeichnet, scheinen auch deutlich höhere Teilnehmerzahlen keineswegs ausgeschlossen.
Inmitten einer politischen Situation, die immer stärker von einer Polarisierung zwischen neoliberaler Mitte und autoritären Rechtspopulisten gekennzeichnet ist und in der linke Alternativen gegenwärtig kaum auftauchen, bietet der G20-Gipfel eine wichtige Gelegenheit, diese Polarisierung von links zu durchbrechen und eigene, solidarische Alternativen sichtbar zu machen.
Der Hamburger Gipfelprotest wird dabei keinesfalls nur in Deutschland wahrgenommen werden: Anfang Juli werden Kameras aus der ganzen Welt auf uns gerichtet sein. Ein massenhafter und erfolgreicher Gipfelprotest wird daher die Existenz einer antikapitalistischen Linken und eines alternativen gesellschaftlichen Pols weltweit sichtbar machen. Gleichzeitig hat der in den beginnenden Bundestagswahlkampf fallende Gipfel für die deutsche Linke und insbesondere die Linkspartei eine besondere Bedeutung: Die AfD wird in dieser Frage kaum eine Rolle spielen, während sich der LINKEN die Chance bietet, ihre Alternativen sichtbar zu machen und eigene Themen in den Wahlkampf zu tragen. Auch auf die Frage, wer tatsächlich gegen das Establishment kämpft, wird in Hamburg eine deutliche Antwort gegeben werden: Dieser Kampf wird von links geführt.
Wir laden alle Hamburgerinnen und Hamburger ein, während des Gipfels mit uns auf die Straße zu gehen und deutlich zu machen: Eine andere Welt ist nötig – und möglich!
Florian Wilde ist G20-Kampagnenreferent der Hamburger Bürgerschaftsfraktion der LINKEN.