Schul-Streik in Los Angeles

(jW)

KLASSENKAMPF IN KALIFORNIEN

»Solidaritätsstreiks sind ein machtvolles Instrument«

USA: Arbeitskampf von Schulbeschäftigten in Los Angeles von Lehrkräften unterstützt. Ein Gespräch mit Alex Caputo-Pearl.
Interview: Florian Wilde, New York. 
 
Ein dreitägiger Massenstreik von Schulbeschäftigten in Los Angeles hat vergangene Woche zu einem großen Erfolg geführt, der auch durch einen ihn begleitenden Solidaritätsstreik der Lehrkräfte ermöglicht wurde. Worum ging es bei der Auseinandersetzung?
 
In den Streik traten die 25.000 Mitglieder der Gewerkschaft SEIU Local 99, die die Schulbeschäftigten organisiert: Hausmeister, Fahrer der Schulbusse, Reinigungspersonal, Betreuer, Sozialarbeiter und die Beschäftigten der Schulmensen – also die am schlechtesten bezahlten Beschäftigten an den Schulen. Ihr Durchschnittslohn lag bisher bei 25.000 US-Dollar im Jahr, bei einer Umfrage gab ein Drittel von ihnen an, obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht zu sein. Die 35.000 Mitglieder der Lehrergewerkschaft UTLA traten in einen Solidaritätsstreik, so dass ab Dienstag drei Tage lang 60.000 Beschäftigte im Streik und auf der Straße waren. Am Freitag musste die Schulbehörde dann kapitulieren.Wie genau sah Ihr Solidaritätsstreik aus?Nun, wir weigerten uns, als Streikbrecher zu fungieren, und haben statt dessen die Streikposten unterstützt. Wir wollten sichtbar in Erscheinung treten und durch unseren gemeinsamen Kampf die Machtverhältnisse in der Stadt zugunsten der Arbeiterklasse verändern. Wir haben durchgezählt: 90 Prozent unserer Mitglieder haben sich aktiv den Streikposten der Schulbeschäftigten vor Hunderten von Schulgebäuden angeschlossen und mit ihnen getanzt, gesungen und gemeinsam die Schulen blockiert. Die übrigen zehn Prozent blieben solidarisch zu Hause.Welchen Erfolg konnte der Streik erzielen?

Die SEIU Local 99 konnte mit ihrem Streik einen bahnbrechenden Erfolg erzielen und eine 30prozentige Lohnerhöhung sowie eine Krankenversicherung durchsetzen. Aus Perspektive der UTLA verbessert dieser Sieg die Bedingungen an den Schulen für alle, die dort lernen und arbeiten, deutlich. Und er hat auch unsere eigene Schlagkraft verbessert: Wir konnten unsere Strukturen durch den Solidaritätsstreik testen und werden gestärkt in die nächste Auseinandersetzung mit der durch ihre krachende Niederlage stark angeschlagenen Schulbehörde gehen.

Welche Methoden machten diesen Sieg möglich?

Als 2014 eine linke Führung der UTLA gewählt wurde, begann sie, von der Organizerin Jane McAlevey inspirierte Methoden eines Machtaufbaus durch strukturbasiertes Organizing zu implementieren. Dadurch war uns 2019 ein erster erfolgreicher Massenstreik der Lehrkräfte gelungen. Seit dem haben Hunderte unserer Mitglieder an den globalen »Organizing for Power«-Onlineschulungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung teilgenommen, und die dort vermittelten Methoden zur Anwendung gebracht: strukturierte Organizing-Gespräche mit allen unserer 35.000 Mitgliedern geführt, unsere Strukturen durch eskalierende Aktionen getestet und gestärkt sowie die Tarifverhandlungen durch unmittelbare Beteiligung der Beschäftigten demokratisiert. Was für eine Durchschlagskraft diese Methoden entwickeln, davon hat der Erfolg unseres dreitägigen Streiks ein deutliches Zeugnis abgelegt. Wir gehen jetzt hochmotiviert in unsere eigene Tarifverhandlung.

Können Ihre Methoden einen Vorbildcharakter auch für andere gewerkschaftliche Auseinandersetzungen in den USA haben?

Das hoffe ich! Der systematische Einsatz von Organizing-Methoden kann dazu beitragen, die Macht der Gewerkschaften auch an anderen Orten und in anderen Branchen wieder aufzubauen. Und Solidaritätsstreiks unterschiedlicher Beschäftigtengruppen sind ein machtvolles Instrument, das wieder viel häufiger zur Anwendung kommen muss. Aber Solidarität fällt nicht vom Himmel. Sie erfordert den Aufbau von Strukturen, die zu solidarischem Handeln auch fähig sind. Ich halte strukturbasiertes Organizing daher für einen Schlüssel zur Wiederbelebung der Arbeiterbewegung.

 

Alex Caputo-Pearl ist Lehrer im Südteil von Los Angeles, Kalifornien. Von 2014 bis 2020 war er Präsident der Lehrkräftegewerkschaft United Teachers of Los Angeles (UTLA). Seit 2020 ist er Vizepräsident der UTLA-NEA (National Education Association).

Veröffentlicht in junge Welt, 29.3.23