(junge Welt) In London sind am vergangenen Wochenende rund 400 Menschen zu einer »Europäischen Konferenz gegen Kürzungspolitik und Privatisierung« zusammengekommen. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die »Coalition of Resistance« (COR, Koalition des Widerstands), ein britisches Bündnis, das linke Labour-Abgeordnete, kämpferische Gewerkschafter und einige der zahlreichen trotzkistischen Gruppen der Insel umfaßt. Unterstützt wurde die Konferenz außerdem von der Europäischen Linkspartei (EL) und dem Netzwerk ATTAC sowie von Gewerkschaftsverbänden wie der italienischen COBAS, der baskischen LAB oder der griechischen Lehrervereinigung OLME und Parteien wie der französischen NPA, der irischen Sinn Féin und der deutschen Linkspartei.
Zur Eröffnung der Konferenz unterstrich der EL-Vorsitzende Pierre Laurent die Notwendigkeit einer breiten Widerstandsfront gegen die Kürzungspolitik. In den vergangenen drei Jahren erlebte Europa die größte Zunahme sozialer Konflikte seit mehr als drei Jahrzehnten. Allein 2010 fanden in Westeuropa 14 Generalstreiks statt, 2011 waren es bislang sechs, während es in den gesamten 80er Jahren insgesamt nur 18 waren. Trotz dieser Protestwelle stehen in fast allen Ländern weitere Sozialkürzungen auf der Agenda der Regierungen. So zeichnete die Sprecherin des griechischen »Netzwerks gegen die Schulden«, Sonia Mitralia, ein dramatisches Bild der sozialen Verwüstung in ihrem Land. Es gebe nur noch einen einzigen Ausweg: den Sturz der Regierung durch eine Revolution. Annick Coupe von der französischen Basisgewerkschaft Solidaires betonte, daß europaweit die Demokratie durch die Finanzmärkte ausgehebelt werde. Notwendig sei, die zahlreichen Proteste von der nationalen auf die europäische Ebene zu bringen.
Die Konferenz stand unter dem Eindruck der sich zuspitzenden sozialen Konflikte in Großbritannien. Nachdem dort am 26. März eine halbe Million Menschen gegen die Kürzungen der konservativ-liberalen Regierung auf die Straße gegangen waren und am 30. Juni 750000 Beschäftige des öffentlichen Dienstes streikten, richten sich die Vorbereitungen nun auf den 30. November. An diesem Tag soll es zu einem landesweiten Generalstreik im öffentlichen Dienst kommen.
Olivier Besancenot von der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) Frankreichs rief zur Unterstützung der bisher vor allem südeuropäischen Protestbewegung der Empörten und ihrer Platzbesetzungen auf. Diese müßten mit der Perspektive für einen europaweiten Generalstreik verbunden werden.
Perspektiven für Proteste. In London berieten europäische Linke über den Widerstand gegen die Kürzungspolitik. Von Florian Wilde. Veröffentlicht in: junge Welt, 6.10.2011