Transkontinentale Amazon-Vernetzung

(rosalux)

Treffen der Amazon Workers International (AWI) 2024 bei der RLS in Genf.

Von Florian Wilde.

 

Dass sich dem global agierenden Amazon-Konzern nur mit internationaler Vernetzung die Stirn bieten lässt – diese Erfahrung machten streikende Amazon-Arbeiter:innen schon sehr frühzeitig: als 2013 die ersten Streiks bei Amazon in Deutschland begannen, verlagerte der Konzern den Versand sofort über die Grenze nach Polen. Da die Mehrheitsgewerkschaft in den polnischen Amazon-Versandzentren einem anderen Dachverband angehört als ver.di, beschlossen bei ver.di aktive Amazon-Streikende, selbst über die Grenze zu fahren und Verbindungen mit ihren polnischen Kolleg:innen aufzunehmen. Daraus entstand 2015 die Amazon Workers International (AWI) als transnationales Basis-Netzwerk kämpferischer Amazon-Beschäftigter.

Seit 2023 unterstützt die Rosa-Luxemburg-Stiftung die AWI durch die jährliche Ausrichtung eines Treffens in ihrem Genfer Büro mit seinem Schwerpunkt auf internationale Gewerkschaftsarbeit. Zu dem Treffen im Januar 2023 waren etwa 30 Arbeiter:innen aus sieben Ländern angereist, um sich über ihre Organisierungsbemühungen auszutauschen, und zeigten am Rande des Treffens durch Kundgebungen in Genf Solidarität mit den damals beginnenden Streiks der Gewerkschaft GMB bei dem Amazon-Standort in Coventry in Großbritannien.

Zu dem Treffen vom 21.-23. Juni 2024 kamen 25 gewerkschaftsaktive Arbeiter:innen aus acht Ländern und drei Kontinenten zusammen. Wieder dabei waren aus Deutschland Gewerkschaftsaktive von ver.di sowie Aktive aus dem Streiksolidaritäts-Bündnis Leipzig; aus Frankreich von SUD Solidairs, aus Polen von der Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative, IP), aus Spanien von der Confederación General del Trabajo (Allgemeine Arbeiter-Konföderation, CGT), aus den USA von den Amazonians United (AU) und aus Kanada von einer sich im Aufbau befindenden Betriebsgewerkschaft. Die RLS hat sich im vergangenen Jahr erfolgreich um eine Unterstützung der AWI bei der Ausweitung ihres Netzwerkes bemüht, und so nahmen an dem Genfer Treffen in diesem Jahr auch Aktive der Langile Abertzaleen Batzordeak (LAB), der Mehrheitsgewerkschaft im Amazon-Versandzentrum im Baskenland, teil. Ebenfalls neu hinzugestoßen ist ein Organizing-Projekt beim größten Amazon Air Cargo Hub in Kentucky, USA. Und die Stiftung konnte erstmals eine Teilnahme indischer Amazon-Gewerkschafter an einem AWI-Treffen ermöglichen. Die britische Gewerkschaft GMB konnte nicht an dem Genfer Treffen teilnehmen, da sie sich nach seit eineinhalb andauernden Streiks nun in der Anerkennungswahl als offizielle gewerkschaftliche Vertretung der Amazon-Beschäftigten in Großbritannien befinden.

Auf dem Genfer Treffen berichtete Dharmendra Kumar, Vorsitzender der Amazon India Workers Association (AIWA), von den schlimmen Arbeitsbedingungen bei Amazon in Indien, wo die Beschäftigten massiv unter der gegenwärtigen Hitzewelle leiden und es kaum einen Arbeitsschutz gibt. Die AIWA versucht, eine Organisierungsarbeit in den Amazon-Standorten mit internationalem Druck auf den Konzern u.a. durch den Dachverband UNI Global Union zu kombinieren. Bayron Benedidt, Betriebsrat der LAB im Amazon-Versandzentrum bei Bilbao, berichtete von den vor zwei Jahren aufgenommenen Streikaktivitäten dort und von der starken Repression des Konzerns gegen die Streikenden. Jonathan Rosenblum, der als Organizer den Aufbau einer Gewerkschaft bei Amazons größtem Luftumschlagplatz in Kentucky unterstützt, schilderte den Aufbau von Arbeiter:innen-Komitees als Herz der Gewerkschaftsarbeit dort.

Im Zentrum des Treffens stand der Austausch über die Arbeitsbedingungen bei Amazon in den einzelnen Ländern, und die jeweiligen Erfahrungen mit Organisierung, Repression und Widerstand. Vereinbart wurde, mit »The Amazon Worker« eine zweite Ausgabe der transnationalen Zeitschrift der kämpfenden Amazon-Beschäftigten in vielen verschiedenen Sprachen herauszubringen und zu verteilen. Außerdem wurde sich über anstehende Aktionen wie etwa den geplanten Kundgebungen vor sieben Amazon-Standorten in Indien ausgetauscht.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung präsentierte ihre seit 12 Jahren verfolgte Arbeit rund um den langen Kampf der Amazon-Beschäftigten, ihre Organizing for Power-Kurse (ein in zahlreichen Sprachen angebotenes globales online-Trainigsprogramm) und bot an, ihre für Mai 2025 anvisierte 6. Konferenz gewerkschaftliche Erneuerung („Streikkonferenz“) wie in der Vergangenheit auch wieder als Plattform zur Amazon-Vernetzung zu nutzen. Anschließend wurde über die mögliche Entwicklung eines Amazon-spezifischen Organizing for Power-Trainingsprogramms diskutiert.

Nonni Morisse, ver.di Amazon Sekretär aus Niedersachsen, war von der Vernetzung der Kolleg:innen begeistert: „Die Kolleg:innen, die an AWI Treffen teilnehmen, kommen jedes Mal so motiviert und berührt wieder. Wir verteilen an unseren Standorten die AWI Zeitung, weil der Blick in andere Länder zeigt, Teil einer weltweiten Bewegung für Mitbestimmung und Arbeiter:innenkontrolle am Arbeitsplatz zu sein.“

Siehe auch das Interview mit Bayron Benedidt, Betriebsrat der Langile Abertzaleen Batzordeak (LAB) im Amazon-Versandzentrum bei Bilbao in der junge Welt.

Bericht hier veröffentlicht