Der Kampf an den Unis. Von Florian Wilde.
In: ALB (Hg.): Fusion2011: Krise – Widerstand – Aufstand, Berlin 2011.
In diesem Herbst droht eine weitere Verschärfung der Situation an den Hochschulen. Durch die doppelten Abiturjahrgänge in Folge der verkürzten Schulzeit und durch die Abschaffung der Wehrpflicht werden doppelt so viele Studierende wie sonst an die Unis strömen. Die Folgen sind absehbar: völlig überfüllte Hörsäle, weiter zunehmende Wohnungsnot in vielen Städten und Tausende, die keine Zulassung zum Studium erhalten und aufs Abstellgleis geschoben werden. Diejenigen, die es an die Hochschulen schaffen, werden dort mit den negativen Folgen der neoliberalen Zurichtung des Bildungswesens konfrontiert werden: einem stark verschultem Studium mit oft extremen Leistungsdruck, aus dem kritische und emanzipatorische Lehrinhalte systematisch verdrängt wurden. Es soll Herrschaftswissen erlernt und Anpassung, Unterordnung und kapitalistischer Leistungswahn verinnerlicht werden.
Während Mieten und Lebenshaltungskosten steigen und an einigen Orten immer noch Studiengebühren bezahlt werden müssen, bleibt das Bafög seit Jahren auf erbärmlich niedrigem Niveau und auf wenige BezieherInnen beschränkt. Wer keine reichen Eltern hat, muss parallel zum Studium oft hart arbeiten. So wird die hochgradige soziale Selektion im deutschen Bildungswesen weiter zementiert. Fehlende Master-Studienplätze reduzieren das Studium zudem für Viele auf eine Schmalspurausbildung. Eine kritische Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse und ein selbstbestimmtes Ausprobieren eigener Lebensentwürfe können an deutschen Hochschulen so kaum noch stattfinden. Nach dem Studium warten auf viele AkademikerInnen nur schlecht bezahlte und prekäre Jobs.
Dass massenhafter Widerstand auch unter den Bedingungen von Bachelor und Master möglich ist, zeigte die große Bildungsstreik-Bewegung der vergangenen Semester. Dass Protest und Druck von der Straße erfolgreich sein kann, verdeutlicht die erkämpfte Abschaffung der Studiengebühren in vielen Bundesländern. Die absehbare Zuspitzung der Situation im kommenden Herbst schafft das Potenzial für einen neuen Aufstand an den Hochschulen. Wichtig ist dabei, die Probleme im Bildungswesen nicht isoliert zu betrachten, sondern sie in den allgemeinen Kontext der neoliberalen Politik und der Sparmaßnahmen zur Finanzierung der Bankenrettung zu stellen. Der gesamten Politik der Kürzungen, des Sozialabbaus und der Ökonomisierung des Lebens gilt es, den Kampf anzusagen! Dafür braucht es den gemeinsamen Widerstand von Studierenden, SchülerInnen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. In unseren Kämpfen gegen die heutige Misere an den Hochschulen wird so immer auch die Perspektive auf eine ganz andere Bildung und eine ganz andere Welt aufscheinen.