Zur Praxis des neuen SDS

(Disput) Auf den Campi präsent: Der sozialistische Studierendenverband will an den Unis linke Ideen stark machen.

Knapp eine halbe Million Studierende beginnen diesen Winter ihr Studium an einer deutschen Hochschule. In Hamburg kommen die ersten Doppeljahrgänge an die Unis. Sie sind Vorboten einer Entwicklung, die sich vor allem ab 2011 dramatisch bemerkbar machen wird. Dann werden sich bei gleichbleibend geringem Lehrangebot doppelt so viele Studierende wie bisher in den Unis drängeln. Absehbare Folgen: überfüllte Seminare, noch schlechtere Betreuung und noch schwierigere Wohnungssuche für die »Erstis«. Aber auch ohne Doppeljahrgänge erwartet die Erstsemester eine oft schwierige Situation: ungenügendes Lehrangebot, volle Seminare, Studiengebühren an vielen Orten, ein extrem verschultes, stressiges und kaum zu bewältigendes Studienpensum unter den Bedingungen von Bachelor und Master – von kaum noch vorhandenen kritischen Lehrinhalten ganz zu schweigen.

Zugleich ist es eine spannende Generation, die nun an die Hochschulen stürmt: Viele von ihnen waren als Schüler/innen in den großen Bildungsstreiks 2009/10 aktiv. Es ist also eine Generation, die bereits einiges an politischer Erfahrung und widerständigem Potenzial mit sich bringt.

Als Die Linke.SDS wollen wir versuchen, zu Beginn des Semesters bundesweit auf den Campi präsent zu sein und neuen wie auch älteren Studierenden das Angebot zu machen, sich politisch zu organisieren, um den Verhältnissen nicht mehr vereinzelt gegenüberzustehen. Wir wollen durch das Verteilen unserer Semesterzeitung »critica« versuchen, linke Ideen an der Uni stark zu machen. Mit Info-Tischen wollen wir Studierende zu Vorstellungsabenden des SDS und zu öffentlichen Diskussionsveranstaltungen einladen. Wir wollen sie aber auch fragen, ob sie mit uns zu den Castor-Transporten oder Protesten gegen Sozialabbau fahren wollen und ob sie nicht mit uns gemeinsam für Alternativen zum kapitalistischen System kämpfen wollen.

Der sozialistisch-demokratische Studierendenverband Die Linke.SDS entstand noch vor der Gründung der LINKEN am 5. Mai 2007. Hervorgegangen ist er aus verschiedenen Strukturen: PDS-Hochschulgruppen, ehemaligen Jusos, attac-Campus-Aktivisten, einheitsorientierten Trotzkisten, Gruppen aus dem Netzwerk linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen LIRA. Mittlerweile haben wir an ca. 40 Hochschulen aktive Gruppen.

Mit dem neuen SDS wollen wir etwas aufbauen, was es seit über 20 Jahren an deutschen Unis nicht mehr gab: einen bundesweit handlungsfähigen und zugleich lokal verankerten sozialistischen Studierendenverband. Von diesem Ziel noch ein ganzes Stück entfernt, sind wir doch einige Schritte auf diesem Weg bereits gegangen. Im Vergleich etwa zum ehemaligen PDS-Hochschulgruppennetzwerk stellt Die Linke.SDS sicher einen großen Fortschritt an politischer Handlungs- und Interventionsfähigkeit dar.

Man kann den SDS als inhaltlich antikapitalistisch, in der Praxis bewegungsorientiert und dabei parteinah beschreiben.

»Antikapitalistisch« meint dabei, dass wir aktiv zur Überwindung des kapitalistischen Systems beitragen wollen. Dabei ist der systematische Einsatz für eine Re-Etablierung kritischen und marxistischen Denkens unter den Studierenden eines der Kernthemen des SDS. Wir sehen uns mit einer Hochschullandschaft konfrontiert, in der solches Denken im Zuge der neoliberalen Hegemonie der letzten Jahrzehnte weitgehend eliminiert worden ist und in offiziellen Lehrplänen kaum noch auftaucht. Dem versuchen wir eine selbst organisierte Bildungsarbeit entgegenzusetzen: von großen Kongressen über Seminare und Veranstaltungen mit linken Inhalten bis hin zur Publikation von Broschüren. Die AG Kritische Wissenschaften im SDS versucht, kritische Einführungen in unterschiedlichste Fachbereiche (von Geschichte über Sinologie und Psychologie bis Jura) zu erarbeiten.

»Bewegungsorientiert« bedeutet, dass wir soziale Bewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe für zentrale Hebel einer sozialistischen Transformation halten. In Bewegungen machen Menschen wichtige Erfahrungen von Selbstorganisation, Solidarität und Kollektivität, die sie in Widerspruch zu den bestehenden Verhältnissen bringen und sie offen für sozialistische Ideen machen. Wir haben uns daher sehr stark in den Bildungsstreiks engagiert, beteiligen uns an der Mobilisierung gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden, an den Protesten gegen die Sparpakete und waren bereits 2007 gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm aktiv. Dabei versuchen wir, in Bewegungen als wahrnehmbare sozialistische Organisation aufzutreten und Menschen ein Organisierungsangebot über die spontane Beteiligung an Bewegungen hinaus zu machen. Bewegungsorientierung steht dabei für uns keineswegs im Widerspruch zur Mitarbeit in den Gremien studentischer Selbstverwaltung (Asten, Studierendenparlamente, Fachschaften), im Gegenteil.

Die Linke.SDS ist zwar politisch unabhängig, versteht sich aber ausdrücklich als parteinah mit einem kritisch-solidarischen Verhältnis zur LINKEN. Die Universitäten befinden sich nicht im luftleeren Raum, denn die Probleme im Studium spiegeln die Probleme unserer Gesellschaft. Grundlegende Veränderungen der Hochschulen und der Gesellschaft gehören zusammen. DIE LINKE ist die einzige relevante demokratisch-sozialistische Partei in Deutschland. Keine Strategie progressiver und emanzipatorischer Veränderung kommt momentan an ihr vorbei. Darum beziehen wir uns ausdrücklich auf DIE LINKE, wobei aber weder die Mitgliedschaft in der Partei noch ein Interesse an ihr Voraussetzung für die Mitarbeit im SDS sind. DIE LINKE war uns immer wieder ein wichtiger Bündnispartner bei der Vertretung studentischer Interessen. Auch wenn sich die Mehrheit unserer Aktiven sicherlich ziemlich weit links verortet, versteht sich der SDS ausdrücklich als ein pluraler Studierendenverband, nicht als strömungspolitische Kampforganisation.

Die Partei hat ihrerseits ein vitales Interesse an einem starken SDS. Oft schneidet sie bei Wahlen unter Studierenden eher unterdurchschnittlich ab. Akademiker sind auch zukünftig wichtige Multiplikatoren für linke Politik. Und sie können eine wichtige Rolle im Kampf um eine linke Hegemonie in der Gesellschaft spielen. Wir wünschen uns daher zu gegenseitigem Nutzen eine aktive Unterstützung von Die Linke.SDS auf Bundesebene wie auch vor Ort. Dort, wo es noch keine Gruppen von Die Linke.SDS gibt, sollte ihre Gründung durch Parteistrukturen forciert werden.

Florian Wilde ist Bundesgeschäftsführer Die Linke.SDS.

Von Florian Wilde. In: disput 10/2010