(Rosalux)
Gewerkschaftliche Erneuerung in Zeiten von Autoritarismus, Krise und Krieg.
Auf der sechsten «Streikkonferenz» der Rosa-Luxemburg-Stiftung beraten Gewerkschafter*innen Antworten auf Rechtsruck, Transformation und Kürzungspolitik.
Von Fanny Zeise und Florian Wilde.
In Zeiten von Wirtschaftskrise, Aufrüstung, Sozialabbau und andauernder politischer Verschiebung nach rechts ist eine starke Gewerkschaftsbewegung unverzichtbar. Ein Beispiel sind die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um eine sozial verträgliche Transformation der Industrie hin zu einer weniger klimaschädlichen Produktion. Gerade bei den exportabhängigen Industrien im Organisationsbereich der IG Metall sieht es wirtschaftlich nicht gut aus: Der Absatz der Produkte schwächelt und die notwendige sozial-ökologische Transformation wird nicht mit Zukunftsinvestitionen angegangen, sondern für Beschäftigungsabbau und Standortverlagerungen genutzt.
Transformation in der Krise
Das wurde besonders bei VW deutlich. Hier wurden drastische Managementfehler gemacht: Man hinkt bei der E-Mobilität hinterher und anstatt ein für viele Menschen bezahlbares Auto zu entwickeln, hat der Konzern die letzten Jahre auf Pkw für Besserverdienende gesetzt, weil damit kurzfristig hohe Profite erwirtschaftet und entsprechende Dividenden ausgeschüttet werden konnten. Um diese hohen Renditen für die Anteilseigner*innen zu halten, kündigte der Konzern Ende 2024 Werkstilllegungen und Entlassungen an.
Die Kolleg*innen reagierten mit großen Demonstrationen und Warnstreiks. Auf deren Grundlage gelang der IG Metall die Verhinderung der angedrohten Standortschließungen – allerdings unter Inkaufnahme von Lohnverzicht und Beschäftigungsabbau.
Dabei reden wir hier von Belegschaften, die sehr gut organisiert sind und in der Vergangenheit beispielhafte Arbeitsstandards erkämpft haben. In diesen Großbetrieben gibt es nicht nur Betriebsräte, sondern auch gewerkschaftliche Vertrauensleutestrukturen. Diese Stärke gilt es jetzt zu nutzen, um sie für die Zukunft zu bewahren. Am besten ausspielen lässt sich diese Macht, bevor die Lage im Betrieb schwierig wird und damit einzelne Werke für das Kapital verzichtbar werden. Solange das Geschäft noch einigermaßen am Laufen ist, sind Beschäftigte weit mehr in der Lage, mit Arbeitsniederlegungen Druck auszuüben, frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
Mit Sozialtarifverträgen aus der Defensive
Selbst unter den schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen konnten in einigen Tarifvertragsauseinandersetzungen Ergebnisse erzielt werden, die eine Transformation mit Beteiligung der Beschäftigten eröffnet und gleichzeitig, zumindest für einen gewissen Zeitraum, Beschäftigungs- und Standortsicherung festgeschrieben haben.
Denn anstatt die Betriebsräte allein über die Umsetzung des Beschäftigungsabbaus verhandeln zu lassen, macht es die Forderung nach einem Sozialtarif- oder Zukunftstarifvertrag möglich, gewerkschaftliche Kämpfe samt Arbeitsniederlegungen zu führen. Auch mit kreativen Streikformen, etwa Solidaritätsstreiks wie im Fall einer Werkschließung beim Autozulieferer GKN Driveline. Hier blockierte das Unternehmen lange eine Zukunfts-Betriebsvereinbarung und verkündete dann die Entscheidung, das Werk Mosel bei Zwickau zu schließen. Als erste Proteste nichts erreichten, traten die Kolleg*innen für einen Sozialtarifvertrag im Werk Mosel in den unbefristeten Streik. Dabei wurden sie durch Solidaritätsstreiks an anderen Standorten unterstützt. Dadurch konnte ein guter Sozialtarifvertrag in Mosel und ein Rahmentarifvertrag mit Beschäftigungssicherung bis 2028 für die anderen Standorte durchgesetzt werden. Kampf und Widerstand in den Betrieben lohnt sich also für die Beschäftigten auch in einem rezessiven Umfeld.
Sowohl in Tarifauseinandersetzungen als auch auf der politischen Ebene werden Gewerkschaften in den Verteilungskonflikten der kommenden Jahre dringend gebraucht.
Der sozial-ökologische Umbau ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die über die betriebliche Ebene hinaus auch politisch angegangen werden muss. Notwendig ist hier politischer Druck – diesen hat die IG Metall im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages am 15. März 2025 mit Großkundgebungen in fünf Städten auf die Straßen gebracht, an denen sich insgesamt rund 81.000 Menschen beteiligten. Statt die «Schuldenbremse» ausschließlich für Rüstungsausgaben zu lockern, muss die Politik Geld in die Hand nehmen für die Sicherung guter Jobs, für die soziale Abfederung des Strukturwandels und für eine ökologische Produktion, die auf Bus und Bahn statt immer mehr Pkws und auf E-Mobilität statt Verbrenner setzt. Das 500 Milliarden Euro starke «Sondervermögen Infrastruktur» könnte hier neue Spielräume für ein offensiveres gewerkschaftliches Agieren öffnen. Hier braucht es mehr betriebliche und wirtschaftliche Demokratie. Dort, wo öffentliche Gelder fließen, geht das nur mit Gegenleistungen – unter anderem muss dann die Mitbestimmung von Belegschaft und Gesellschaft ausgeweitet werden.
Gegen rechts in Betrieb und Gesellschaft
Der sich im Kontext eines globalen Rechtsrucks vollziehende Aufstieg der AfD stellt die dem Antifaschismus aus ihrer Geschichte heraus stark verpflichteten deutschen Gewerkschaften vor große Herausforderungen. In den Betrieben befördert er kulturalistische Spaltungslinien, die einer Vereinigung der Belegschaften entlang der Klassenlinie entgegenstehen. In der gesamten Gesellschaft stärkt er einen Rassismus, der migrantische Kolleg*innen mit und ohne deutschen Pass bedroht. Obwohl das Aufrüstungs- und Steuererleichterungsprogramm der AfD dezidiert gewerkschafts- und beschäftigtenfeindlich ist, gewinnt sie auch in den Betrieben und besonders im Industriebereich an Boden.
Ein ökologischer Umbau, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, wird die AfD noch stärker machen, und ein Scheitern des Industrieumbaus droht ihr perspektivisch sogar den Weg ins Kanzleramt zu ebnen. Stattdessen braucht es kämpfende Belegschaften, die ihre Expertise in der Produktion und ihre Streikmacht einbringen – und ein Bewusstsein, dass es sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung handelt.
Gegen die Kürzungspolitik
Auch bei den Kürzungen im Öffentlichen Dienst, die zum Teil durch die Unterfinanzierung der Kommunen und der Länder begründet sind, handelt es sich um eine Auseinandersetzung, die uns alle angeht. In Berlin sollen aktuell 3 Milliarden Euro vor allem im sozialen und kulturellen Bereich eingespart werden. Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes und viele weitere Initiativen haben schon Ende 2024 Widerstand gezeigt.
Die laufende Tarifrunde im Öffentlichen Dienst könnte die erste große Auseinandersetzung mit einer möglichen von Friedrich Merz (CDU) geführten Regierung werden. Auch nach drei von Warnstreiks und Demonstrationen begleiteten Verhandlungsrunden zeigten sich die öffentlichen Arbeitgebervertreter wenig verhandlungsbereit. Sie erklärten die Verhandlungen für gescheitert und riefen die Schlichtung an. Mit dem von ihnen nominierten Schlichter Roland Koch (CDU), dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Hessen, der in seiner Amtszeit die Tarifflucht seines Bundeslandes zu verantworten hatte, ist für die Gewerkschaftsseite kein gutes Schlichtungsergebnis zu erwarten.
Der Wind dürfte den Gewerkschaften unter einer wohl künftig von Friedrich Merz angeführten Bundesregierung scharf ins Gesicht wehen.
Im Öffentlichen Dienst ist aber eine deutliche Lohnerhöhung für die über 2,6 Millionen Beschäftigten dringend notwendig, weil sich die realen Tarifentgelte aufgrund der Inflation trotz relativ hoher Tarifsteigerungen durch den Abschluss 2023 auf dem Niveau von 2017 befinden. Diese ist aber auch aus Sicht der Bevölkerung wichtig, die auf gut besetzte Kitas, Bürgerämter und einen funktionierenden Nahverkehr angewiesen ist. Bewerber*innen für 500.000 unbesetzte Stellen sind schwer zu finden, wenn die Jobs unattraktiv entlohnt sind. Angesichts der harten Haltung der Arbeitgeber könnte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in einen großen Arbeitskampf gezwungen werden. Vorbereitungen auf den Ernstfall sind mit einem «Stärkebrief» von ver.di und mit Diskussionen in Betrieben und Dienststellen angelaufen.
Angesichts der von der CDU geplanten «Agenda 2030», die vor allem Steuersenkungen für Besserverdienende beinhaltet, sind weitere Sozialkürzungen wahrscheinlich. Bereits angekündigt sind weitere Repressionen und Einsparungen beim Bürgergeld. Die Verteilungsspielräume werden aber auch durch die massiven Aufrüstungspläne sehr viel enger, auch wenn Rüstungsausgaben nun von der «Schuldenbremse» ausgenommen sind. Zu befürchten ist, dass trotz des Infrastruktur-Sondervermögens der Austeritätskurs für Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau sowie bei den Sozialausgaben beibehalten wird. Dringend diskutiert werden muss die Rolle der Gewerkschaften in der «Zeitenwende» und ihr Verhältnis zur Hochrüstung.
Gewerkschaftliche Gegenmacht organisieren
Sowohl in Tarifauseinandersetzungen als auch auf der politischen Ebene werden Gewerkschaften in den Verteilungskonflikten der kommenden Jahre dringend gebraucht. Wenn die CDU sprachlich an die «Agenda 2010» der Regierung Schröder/Fischer vor über 20 Jahren anknüpft, ist Vorsicht geboten. Damals kam gewerkschaftlicher Widerstand spät und zögerlich. Der massive Druck auf Erwerbslose und die Ausweitung von prekärer Beschäftigung und Niedriglöhnen schwächt die Gewerkschaften bis heute. Die seit 2013 von der Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstalteten bundesweiten «Konferenzen gewerkschaftliche Erneuerung», kurz «Streikkonferenzen», haben sich mit zuletzt 1.550 Teilnehmer*innen in Bochum (2023) zu den wohl größten links-gewerkschaftlichen Konferenzen in Deutschland seit Jahrzehnten entwickelt. Sie bieten die Möglichkeit, gemeinsam die aktuelle Lage zu analysieren, eine gewerkschaftsübergreifende Verständigung anzustoßen und gesellschaftliche Bündnisse und Proteste anzugehen.
Dabei bieten die Erfahrungen mit politischen Kampagnen der vergangenen Jahre vielfältige Anregungen. So setzte die Krankenhausbewegung die Politik mit Ultimaten vor Landtagswahlen unter Druck. Beschäftigte brachten durch intensive Pressearbeit, mit Berichten von ihrem Arbeitsalltag und gezielter Ansprache ihrer jeweiligen Communities die Bevölkerung auf ihre Seite und konnten dadurch Erfolge erzielen. Innovative Organizing-Methoden führten große Teile der Belegschaften aktiv in die Auseinandersetzung. Die unmittelbare Einbeziehung gewählter Team-Delegierter in das Tarifverhandlungsgeschehen stärkte die Verhandlungsmacht der Tarifkommission deutlich. Durch diese Kampagnenelemente und den Draht zur Bevölkerung konnte die Krankenhausbewegung vielerorts Entlastung und mehr Personal durchsetzen.
«Streikkonferenzen»: Praxisnahe Analyse und solidarische Erneuerung
Die «Streikkonferenzen» mit ihrem Fokus auf gewerkschaftliche Erneuerung verfolgen einen spezifischen Ansatz: Sie behandeln verschiedene Facetten einer konflikt- und beteiligungsorientierten Gewerkschaftsarbeit und knüpfen an aktuelle Auseinandersetzungen an. Dabei steht die Praxis im Zentrum. Anhand von Erfahrungsberichten aus der Gewerkschaftsarbeit und Diskussionen mit den Teilnehmer*innen finden Reflexions- und Austauschprozesse über geeignete Strategien und Aktionsformen statt. Diese können in andere Branchen und Kontexte übernommen beziehungsweise weiterentwickelt und angepasst werden. Der Prozess wird intensiviert, indem Wissenschaftler*innen, die zu Gewerkschaften forschen, ihren analytischen Blick in die Debatte einbringen und ihrerseits vom Austausch mit Praktiker*innen und von Feldzugängen für weitere Forschung profitieren.
Wichtig ist zudem der Vernetzungscharakter der «Streikkonferenzen»: Kolleg*innen einzelner Branchen tauschen sich überregional aus, diskutieren die konkreten Herausforderungen und können im Anschluss auf die neu geknüpften Kontakte zurückgreifen. Die Konferenzen bieten damit gewerkschaftlich Aktiven einen Raum der Vernetzung und des Austausches – und damit handlungsrelevante Anregungen für die Herausforderungen ihrer alltäglichen Arbeit. Die Ausrichtung an praktisch relevanten Themen ermöglicht es zudem, Gewerkschafter*innen mit sehr geringem Zeitbudget anzusprechen.
Der Gegenwind mag heftig sein, aber es gibt in den gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen viele Momente des Aufbruchs und der Erneuerung.
Zum Erfolgsrezept der Konferenzen gehört, dass sie nicht ideologisch-programmatische Fragen zum Ausgangspunkt nehmen. Vielmehr sind die Herausforderungen der tagtäglichen Gewerkschaftsarbeit und das breit geteilte Bedürfnis nach einer Erneuerung der Gewerkschaften mit der Perspektive einer Stärkung der Organisationsmacht zentral. Es geht darum, wie selbst gesteckte Ziele durchgesetzt werden können. Dadurch sind die «Streikkonferenzen» über die klassischen linksgewerkschaftlichen Milieus hinaus anschlussfähig und können eine gewerkschafts- und generationenübergreifende Ausstrahlung entfalten. Hier kommen Kolleg*innen verschiedener Gewerkschaften und Altersgruppen miteinander ins Gespräch. Wichtig ist dabei auch, dass kritische Positionen nicht sektiererisch und rückwärtsgewandt, sondern solidarisch und im Sinne einer Stärkung der Gewerkschaften formuliert werden. Mit diesem Ansatz konnte sich um die Rosa-Luxemburg-Stiftung im Laufe der Zeit eine gewerkschaftliche Such- und Erneuerungsbewegung etablieren – mit der «Streikkonferenz» als zentraler Plattform für Austausch und Vernetzung.
«6. Konferenz gewerkschaftliche Erneuerung» in Berlin
Vom 2. bis 4. Mai 2025 findet unter dem Motto «Gegenmacht im Gegenwind. Gewerkschaftliche Kämpfe als Antwort auf Rechtsruck, Transformation und Kürzungspolitik» die sechste «Streikkonferenz» in Berlin statt. Eröffnet wird sie im Audimax der Technischen Universität (TU) Berlin am Abend des 2. Mai. Den bisherigen Anmeldungen nach zu urteilen dürfte der Andrang in diesem Jahr sogar noch größer werden als vor zwei Jahren in Bochum.
Mitveranstalter sind zahlreiche Gewerkschaftsgliederungen aus Berlin und Ostdeutschland – darunter der ver.di-Landesbezirk Berlin, der Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen der IG Metall, Berliner Sektionen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der IG BAU sowie Berliner und ostdeutsche Gliederungen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Zudem sind gewerkschaftsnahe Einrichtungen wie die «Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt» (KOOP) der TU Berlin sowie das Bildungswerk «Arbeit und Leben» beteiligt.
Von Bochum nach Berlin: Der Gegenwind nimmt zu
Im Jahr 2023 stand die «Streikkonferenz» in Bochum unter dem Motto «Gemeinsam in die Offensive» und damit im Zeichen kämpferischer und recht erfolgreicher Tarifrunden nach den Inflationsjahren. Damals hatten sich viele Gewerkschaften getraut, die Anliegen ihrer Mitglieder aufzunehmen und hohe Lohnforderungen zu stellen. In diesen Auseinandersetzungen zeigten die Gewerkschaften, dass sie kämpfen konnten. Bei der Post, im Öffentlichen Dienst, in der Süßwarenindustrie und in anderen Bereichen gab es massive Streiks und es wurde viel Neues ausprobiert. Zudem konnten die Gewerkschaften etliche Neueintritte verbuchen. Für ver.di war 2023 das Jahr mit der besten Mitgliederentwicklung seit der Gründung 2001.
Heute hat sich die Stimmung gewandelt, der Wind dürfte den Gewerkschaften unter einer wohl künftig von Friedrich Merz (CDU) angeführten Bundesregierung scharf ins Gesicht wehen. Daher sind die Auseinandersetzungen um die Transformation der Industrie und der Widerstand gegen die Kürzungspolitik Hauptthemen der Konferenz. Zudem scheint von den Wahlerfolgen der AfD bis zu Trump im Weißen Haus ein gewaltiger rechtsextremer Sturm aufzuziehen. Gewerkschaftliche Antworten auf den Rechtsruck bilden daher einen weiteren Fokus.
Beteiligungsorientierte und offensive Gewerkschaftsarbeit gegen rechts
Die sechste «Streikkonferenz» eröffnet mit einem Podium zum Rechtsruck in Betrieben und in der Gesellschaft. Hier werden Kolleg*innen aus verschiedenen Gewerkschaften ihre Perspektiven auf die Ursachen und ihre Strategien für eine Gegenwehr vorstellen.
Der betriebliche Rechtsruck ist zudem Gegenstand mehrerer Arbeitsgruppen. Hier geht es etwa darum, wie man rechte Listen, beispielsweise das «Zentrum Automobil», bei Betriebsratswahlen bekämpfen kann. Zudem werden Strategien zum Umgang mit rechten Einstellungen sowie rassistische Spaltungslinien im Betrieb und zum Teil auch in der eigenen Gewerkschaft diskutiert.
Weil es bei der Konferenz um Erneuerung geht, wollen wir aber auch die großen Proteste gegen die AfD und den Rechtsruck, die auch von Gewerkschaften getragen wurden, sowie Mut machende Aktionen in Betrieben in den Blick nehmen. Nicht zuletzt im «Bündnis Widersetzen» waren Gewerkschafter*innen zentral daran beteiligt, den AfD-Parteitag in Riesa im Januar 2025 mit zivilem Ungehorsam zu behindern. Kolleg*innen von Zeiss in Jena haben sich ihrerseits mit Aktionen im Betrieb gegen eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD in Thüringen gestellt.
Welchen Schwung gewerkschaftliche Erneuerung erzeugen kann, zeigt die Automobilarbeiter-Gewerkschaft der USA.
Außerdem wollen wir fragen, ob es einen Zusammenhang zwischen offensiver Gewerkschaftsarbeit und politischen Einstellungen von Beschäftigten gibt. Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die auf der Konferenz vorgestellt wird, legt nahe, dass betriebliche Partizipationserfahrungen demokratische Einstellungen befördern.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Je mehr Mitbestimmung es in den Betrieben gibt, desto schwerer haben es tendenziell die Rechten in den Belegschaften. So gibt es gute Gründe anzunehmen, dass Menschen, die solidarisch zusammen kämpfen und dabei erfahren, dass sie etwas verändern können, nicht so leicht auf die zutiefst beschäftigtenfeindliche AfD hereinfallen. Beteiligungsorientierte und offensive Gewerkschaftsarbeit scheint ein ganzes Stück weit gegen rechte Einstellungen zu immunisieren.
Grundsätzlich muss es eine klare Kante gegen rechts geben. Um dem Erstarken rechten Gedankenguts den Nährboden zu entziehen, braucht es grundlegende politische und solidarische Alternativen von Parteien, Bewegungen und nicht zuletzt von den Gewerkschaften. Mit der Gründung des «Vereins zur Bewahrung der Demokratie» hat die IG Metall einen wichtigen Baustein für die Verknüpfung von antifaschistischer Recherche, gewerkschaftlicher Expertise und betrieblichem Engagement geliefert.
Internationale Erneuerungsmomente
Eine Neuerung der diesjährigen «Streikkonferenz» ist eine Reihe von Veranstaltungen zu internationalen Themen. Dazu haben wir Kolleg*innen aus den globalen Gewerkschafts-Dachverbänden, Gewerkschaftsaktive aus anderen Ländern, Teamer*innen des «Organizing for Power»-Programms der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie Kolleg*innen aus der Ukraine, die von Gewerkschaftsarbeit unter Kriegsbedingungen berichten, eingeladen. Besonders freuen wir uns auf den Beitrag eines Kollegen der United Auto Workers (UAW).
Denn welchen Schwung gewerkschaftliche Erneuerung erzeugen kann, zeigt die Automobilarbeiter-Gewerkschaft der USA. Hier wurde eine vormals durch Korruption und Vetternwirtschaft gezeichnete Industriegewerkschaft von einer offensiv ausgerichteten und auf Beteiligung und Konfliktorientierung setzenden Strömung übernommen und erfolgreich wiederaufgebaut. 2023 erkämpfte die UAW mit sogenannten Stand-up-Streiks Lohnsteigerungen von etwa 30 Prozent bei den drei großen Autokonzernen der USA (GM, Stellantis, Ford). Sie verhandelte mit den drei Konzernen gleichzeitig und bei jedem Stocken der Verhandlungen wurden weitere Werke der drei Unternehmen zum Streik aufgerufen. Mit dem strategischen Einsatz massiver Organizing-Ressourcen sollen bis 2028 alle großen Autokonzerne und ihre in den gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten gelegenen Werke systematisch organisiert und streikfähig gemacht werden, darunter auch die Werke deutscher Autokonzerne. Einen ersten Erfolg konnte sie bereits beim VW-Werk in Alabama verzeichnen.
Unter den Vorzeichen von Rezession, Aufrüstung und weiteren Steuergeschenken an die Kapitalseite scheint das Auswerten erfolgreicher Erfahrungen umso wichtiger, und umso notwendiger ein Fortsetzen der Bemühungen um Erneuerung.
Die UAW verfolgt dabei einen klaren Plan: Alle ihre Tarifverträge werden synchronisiert auf ein Auslaufen am 30. April 2028 ausgerichtet, um ab dem 1. Mai in eine generalstreikartige Auseinandersetzung um eine Arbeitszeitverkürzung einzutreten. Diesen Kampf bereitet die UAW keinesfalls allein vor – sie versucht vielmehr, auch andere Gewerkschaften dafür zu gewinnen, in ihren Tarifbereichen die Verträge zum 1. Mai 2028 enden zu lassen, um so auf breiter Front Arbeiter*innen-Macht für Arbeitszeitverkürzung zu mobilisieren. Zudem will die UAW weitere Akteure wie die Klimabewegung dafür gewinnen, diese Auseinandersetzung gemeinsam als gesamtgesellschaftlichen Kampf zu führen. Wir denken, dass dieses strategische und langfristige Agieren der UAW auch für deutsche Gewerkschafter*innen inspirierend sein kann.
Der internationale Austausch kann aber auch in Bezug auf Organizing und Erschließung – gerade bei gewerkschaftsfeindlichen Unternehmen wie Amazon oder Tesla – hilfreich sein. Wir bieten Praxisseminare und Panels zu den Methoden des weltweiten »Organizing for Power«-Programms der Rosa-Luxemburg-Stiftung, an dem seit 2019 fast 50.000 Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen aus mehr als 110 Ländern teilgenommen haben. Weil der gewerkschaftliche Widerstand mindestens so globalisiert sein muss, wie das Kapital es bereits ist, haben wir Vertreter*innen aus den globalen Gewerkschafts-Dachverbänden eingeladen, um mit ihnen über Erfahrungen mit transnationaler Organisierung und Gewerkschaftsarbeit zu sprechen. Wir hoffen, dass die Konferenz auf diese Weise auch ein Forum für internationalen Austausch und Vernetzung werden wird.
Erneuerung und Aufbruch
Der Gegenwind mag heftig sein, aber es gibt in den gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen viele Momente des Aufbruchs und der Erneuerung. Wir wollen sie auf der «Streikkonferenz» sichtbar machen und haupt- und ehrenamtlichen Kolleg*innen das Wort erteilen, über ihre Erfahrungen zu berichten. Inhaltlich bietet das Konferenzprogramm über die Hauptthemen Rechtsruck, Transformation und Kürzungspolitik hinaus eine breite Themenpalette, um das facettenreiche Spektrum sich erneuernder Gewerkschaftsarbeit abzubilden. Hier werden vom strategischen Einsatz von Organizing-Methoden über den systematischen (Wieder-)Aufbau von Vertrauensleutestrukturen und die Öffnung von Tarifverhandlungen bis hin zu neuen Streikformen viele Aspekte des Machtaufbaus diskutiert.
Intensiv wollen wir auf die Frage der Beteiligung blicken, unter anderem auf die stärkere Einbeziehung der Beschäftigten in Tarifverhandlungen in den vergangenen Jahren. Hier hat ver.di mit Team-Delegierten in Kliniken, Tarifbotschafter*innen im Öffentlichen Dienst und mit Beschäftigten von Lufthansa oder BVG Erfahrungen gesammelt. Neue Ansätze wie der gezielte Einsatz von Produktionsmacht gerade in niedrig entlohnten Bereichen oder der Kampf gegen Auslagerungen werden zur Sprache kommen. Wir werden Themen wie Arbeitszeitverkürzung, feministische Gewerkschaftsarbeit, gewerkschaftlicher Aufbruch im Osten, historische Auseinandersetzungen sowie Friedenspolitik diskutieren. Immer wieder stellen wir die Frage nach gesellschaftlichen Bündnismöglichkeiten in Tarifkämpfen, wie sie in dem Bündnis von ver.di und der Klimabewegung in der Tarifrunde Nahverkehr exemplarisch geworden ist. Wir wollen uns von dynamischen Aufbrüchen wie dem der TVStud-Bewegung studentischer Beschäftigter an den Hochschulen inspirieren lassen. Und wir wollen auch «harte Brocken» wie die Gewerkschaftsarbeit bei Amazon oder Tesla und Strategien gegen das Union Busting angehen, ohne die auf den Baustellen, in der Lebensmittelindustrie oder im Einzelhandel gemachten Erfahrungen aus dem Blick zu verlieren.
Auch methodisch hat die Konferenz von Themen- über Praxisseminare und Arbeitsgruppen bis zu Vernetzungstreffen viel Unterschiedliches zu bieten. Verschiedene Organizing-Ansätze werden nicht nur theoretisch diskutiert, sondern auch praktisch eingeübt. Dafür haben wir Teamer*innen des weltweiten «Organizing for Power»-Programms der Rosa-Luxemburg-Stiftung eingeladen, um die von Jane McAlevey entwickelten Organizing-Methoden zu vermitteln.
Wir hoffen, dass die Konferenz wieder als Plattform für Austausch und Vernetzung der gewerkschaftlichen Erneuerung fungieren wird – und dass ihr ein überzeugender Ausblick auf die Herausforderungen unter einem neuen politischen Szenario gelingt. Denn unter den Vorzeichen von Rezession, Aufrüstung und weiteren Steuergeschenken an die Kapitalseite scheint das Auswerten erfolgreicher Erfahrungen umso wichtiger, und umso notwendiger ein Fortsetzen der Bemühungen um Erneuerung: Damit gewerkschaftliche Gegenmacht trotz Gegenwind und «Zeitenwende» auf- und ausgebaut werden kann.
Fanny Zeise und Florian Wilde sind Referent*innen für Gewerkschaftspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und organisieren seit 2013 die «Streikkonferenzen» mit.
Dieser Beitrag ist eine erweiterte und aktualisierte Fassung eines Artikels, der in der Zeitschrift Sozialismus 3/2025 erschienen ist.