„Allianzen mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen aufbauen“. UZ-Interview mit Florian Wilde, hochschulpolitischer
Referent im AStA der Universität Hamburg, in: Unsere Zeit, 01.04.2005
UZ: Das Bundesverfassungsgericht hob im Januar das bundesweite Studiengebührenverbot auf. In Hamburg demonstrierten auf der Norddemo 10 000 Studenten dagegen. Warst du überrascht von der großen Teilnehmerzahl?
Florian Wilde: Wir waren sehr erfreut darüber. Das Semester hatte unpolitisch begonnen und die politische Mobilisierung war anfangs schwierig, daher sehe ich in der Norddemo und den anderen überregionalen Demonstrationen am 3. 2. einen großen Erfolg. Allerdings sind Studiengebühren ein drastischer Einschnitt und treffen Studenten da, wo es am meisten weh tut, nämlich am Geldbeutel. Mit großen Protesten war also zu rechnen, zumal über Hamburg hinaus mobilisiert wurde.
UZ: In einer Broschüre stellt der AStA seinen Widerstandfahrplan für das Sommersemester vor. Welche konkreten Aktionen bereitet ihr vor? Gibt es Planungen über Norddeutschland hinaus?
Florian Wilde: Das „Nordnetz“, ein aus den Streiks 2002/03 entstandener Zusammenschluss norddeutscher ASten, bereitet für den 2. Juni eine weitere Norddemo in Hannover vor. Wir hoffen, dass es um dieses Datum herum auch in anderen Orten zu überregionalen Demos kommt. Bundesweit planen Studierende, an den gewerkschaftlichen 1.-Mai-Kundgebungen teilzunehmen, um den Druck für eine andere Bildungs- und Sozialpolitik zu erhöhen und stabile lokale Allianzen mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen aufzubauen. Der fzs plant bundesweite Aktionswochen gegen Studiengebühren in den ersten beiden Maiwochen. In Hamburg wird am 16. Juni eine große Bildungsdemo gemeinsam mit GEW, Schülern, Eltern und Kitas unter dem Motto: „Von der Kita bis zur Hochschule – Bildungsgebühren stoppen“ stattfinden. Gleich zu Anfang des Semesters wird es in Hamburg Aktionstage und eine Vollversammlung am 13. 4. geben, auf der auch über die Frage Streik diskutiert werden wird.
UZ: Der große Uni-Streik vor einem Jahr ging ohne greifbaren Erfolg zu Ende. Was ist deiner Meinung nach nötig, um Studiengebühren tatsächlich zu verhindern?
Florian Wilde: Die Karlsruher Entscheidung besagt ja erstmal nur, dass die Entscheidung über Studiengebühren Ländersache ist. Und gerade auf Länderebene können wir noch Einfluss nehmen, wenn wir es schaffen, Studiengebühren zu einem zentralen politischen Thema zu machen und vielfältige, kreative und entschlossene Proteste zu entwickeln. Einem Frontalangriff, wie ihn Studiengebühren darstellen, kann man mit halbherzigen Protesten nicht erfolgreich begegnen. Darum wird das Sommersemester ein massives Streik- und Protestsemester werden müssen. Die Proteste werden insgesamt auch radikaler sein müssen als in der Vergangenheit. Vor dem Hintergrund von Studiengebühren sind die Zeiten reiner „Lucky Streiks“ definitiv vorbei. Um erfolgreich zu sein brauchen wir außerdem eine enge Zusammenarbeit mit anderen sozialen Protesten.
UZ: Zu Semesteranfang muss häufig komplett von Neuem mobilisiert werden. Was lässt euch hoffen, dass im Sommer der Protest wirklich zündet?
Florian Wilde: Ob und in welcher Form Studiengebühren eingeführt werden, wird sich in vielen Bundesländern in diesem Sommer entscheiden. Daher werden wir im Sommer aufs Ganze gehen müssen. Entweder wir lassen es protestmäßig richtig krachen – oder wir werden alle richtig viel zahlen müssen. Die Aufgabe von ASten und linken Hochschulgruppen ist, die Unis zu politisieren und eine Stimmung zu schaffen, in der so was möglich ist. Da Studiengebühren uns aber alle treffen würden, stehen die Chancen für massive Proteste gut. Außerdem sind wir gut aufgestellt, indem wir bereits jetzt Demonstrationen im Sommer vorbereiten.
UZ: Wie du bereits erwähntest, wollt ihr euch mit anderen sozialen Protesten vernetzen. Wie soll das konkret aussehen?
Florian Wilde: Die Einführung von Studiengebühren ist Teil der neoliberalen Umstrukturierung der Gesellschaft. Deswegen ist es wichtig sich mit anderen Bereichen, die von Sozial- und Bildungsabbau betroffen sind, zusammenzuschließen und gemeinsam zu wehren. Deshalb die Teilnahme an den 1.-Mai-Demos und die große Bildungsdemo in Hamburg. Uns geht es nicht alleine um die Unis, sondern um die Richtung der Politik, die sich eben auch in Studiengebühren ausdrückt.
UZ: Sind neben den genannten Aktionen auch gemeinsame Beratungen, beispielsweise mit Gewerkschaften, vorgesehen?
Florian Wilde: Wir werden zum deutschen Sozialforum in Erfurt mobilisieren, wo wir uns mit Workshops beteiligen, und arbeiten im Hamburger Bildungsbündnis mit GEW und ver.di zusammen. Auch zum DGB-Hochschulbüro in Hamburg haben wir engen Kontakt.
Die Fragen stellte
Mirko Knoche