(rosalux)
Den studentischen Beschäftigten reicht´s!
Interview mit Jasper Stange. Er ist Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, arbeitet als studentischer Beschäftigter und befindet sich im Streik.
Florian Wilde, RLS: Am 16. Januar eskalierte die Tarifauseinandersetzung für die studentischen Beschäftigten an den Berliner Hochschulen mit einem ersten Warnstreiktag. Warum sind die studentischen Beschäftigten so wütend, dass sie jetzt streiken?
Jasper Stange: Eigentlich haben die studentischen Beschäftigten schon seit Jahren allen Grund, wütend zu sein. Seit 2001, also seit 17 Jahren, wurde ihr Gehalt nicht mehr erhöht. 2011 haben die Hochschulen bereits eine erste Verhandlungsrunde platzen lassen, als ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt werden sollte. Die gewerkschaftliche Tarifkommission hat die Verhandlungen damals beendet, weil das Angebot der Gegenseite nicht ernstzunehmen war. Die vorgeschlagene Lohnerhöhung sah 26 Cent vor, und das nach 10 Jahren Lohnverfall! Das steht in einem völlig falschen Verhältnis zu der Bedeutung unserer Arbeit. Etwa 8000 studentische Beschäftigte halten den Uni-Betrieb am Laufen, und zwar in allen Bereichen: Verwaltung, EDV, Durchführung von Tutorien, Hilfe bei der Forschung usw. Nachdem unsere Tarifkommission jetzt seit einem Jahr in Verhandlungen hingehalten wurde, hat sie sich entschieden mit Beginn des Jahres den Tarifvertrag zu kündigen und uns in den Streik zu führen. Dass sie damit einen Nerv unter den studentischen Beschäftigten getroffen hat, zeigt die hohe Streikbeteiligung.
Was sind eure Forderungen?
Die TV Stud-Kampagne (TV Stud ist der Berliner Tarifvertrag für studentische Beschäftigte) hat einen Katalog mit 14 Forderungen aufgestellt. Am prominentesten ist die Forderung nach einem Stundenlohn von 14 Euro, was eine Erhöhung um etwa drei Euro bedeuten würde. Das klingt nach viel Geld, gleicht aber in Wahrheit nur den Lohnverfall durch Inflation seit der letzten Lohnerhöhung 2001 aus. Im Prinzip fordern wir also einfach den Lohn, der damals ausgehandelt wurde. Um eine lange Phase des Lohnverfalls zu verhindern, wie wir sie die letzten 17 Jahre gesehen haben, sollen die studentischen Löhne außerdem dynamisiert werden. Das heißt, Lohnerhöhungen der anderen Beschäftigen an den Unis sollen auch uns zugestanden werden. Damit würden auch wir endlich als vollwertige Mitarbeiter_innen der Uni anerkannt werden. Weitere wichtige Forderungen sind die nach Weihnachtsgeld, das wurde uns nämlich 2004 gestrichen, und nach fortgesetzter Lohnzahlung während einem Krankheitsfall, der länger als sechs Wochen dauert. Außerdem fordern wir sechs Wochen Jahresurlaub, das Recht auf Bildungsurlaub und die Möglichkeit zu einer freiwilligen Stundenreduzierung. Was ich persönlich besonders positiv sehe ist, dass sich die Kampagne gegen einen gestaffelten Lohn nach Qualifizierung, also etwa Studienabschlüssen, ausgesprochen hat. Das verhindert, dass Studienanfänger_innen für einen niedrigeren Lohn arbeiten müssen, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten, und zeigt, dass wir alle für eine gemeinsame Sache kämpfen.
Sind diese Forderungen auch eine Reaktion auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten in Berlin, vor allem die explodierenden Mieten?
Gar keine Frage. Die Berliner Mieten steigen rasant, und bisher hat es praktisch keine Versuche von Seiten der Politik gegeben, das aufzuhalten, obwohl die Forderung nach einem stärker regulierten Wohnungsmarkt so viel Rückhalt in der Öffentlichkeit hat wie kaum eine andere. Dieser Trend trifft nicht nur, aber auch Studierende. Für einen Großteil der studentischen Beschäftigten stellt ihr Job an der Uni einen wichtigen Teil der Lebensgrundlage dar. Wenn der nicht mehr ausreicht, weil der Lohn real sinkt, die Mieten aber explodieren, dann muss dagegen etwas getan werden, ganz einfach.
Wie und seit wann habt ihr diese Auseinandersetzung vorbereitet?
Die Verhandlungen laufen seit April des vergangenen Jahres. Aber schon im Jahr davor haben Aktivist_innen begonnen, studentische Beschäftigte in Gewerkschaften zu organisieren. Über 900 neu organisierte Beschäftigte wurden damals gewonnen, was der Verhandlungskommission natürlich nochmal ordentlich Rückendeckung gegeben hat. Die konkreten Streikuntersetzungen sind, glaube ich, seit ein oder zwei Monaten in Planung, auch weil der Tarifvertrag erst im September gekündigt wurde. Alles in allem muss man aber sagen, dass diese Auseinandersetzung auf dem jahrelangen Engagement von allen möglichen Leuten fußt, die in den Verhandlungen, den gewerkschaftlichen Vertretungen und in politischen Gruppen an der Uni das Fundament gelegt haben dafür was jetzt passiert.
Einen Warnstreik studentischer Hilfskräfte hatte es in Berlin schon ewig nicht mehr gegeben. Wie ist der erste Warnstreiktag gelaufen?
Tatsächlich haben studentische Beschäftigte in Berlin schon mal gestreikt, allerdings in grauer Vorzeit, nämlich 1986! Damals wurde gleich mehrere Wochen gestreikt, und herausgekommen ist der Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Die Tatsache, dass so ein Tarifvertrag bis heute nur in Berlin besteht, ist der traurige Beweis dafür, dass Streiks sehr wohl etwas bewirken können. 1986 ist natürlich lange her, damals waren ich und die meisten anderen Studierenden heute noch lange nicht geboren. Das hat man dem ersten Streiktag allerdings kaum angemerkt, der lief nämlich ziemlich gut und professionell ab. An den verschiedenen Unis hier hat es morgens Streiklokale und Versammlungen gegeben. Am Nachmittag haben sich alle vor der juristischen Fakultät der HU getroffen, wo eine Kundgebung veranstaltet wurde. Da waren dann geschätzt 1000 Leute. Danach gab es noch eine kleine symbolische Aktion in der Bibliothek der HU, wo wir Bücher ausgeliehen und dann sofort wieder abgegeben haben. Am nächsten Tag standen die Flure voller unsortierter Bücher – was sehr bildhaft zeigt, dass ohne die Arbeit von studentischen Beschäftigten die Uni im Chaos versinken würde.
Wie erlebst du persönlich diese Tarifbewegung?
Für mich ist das alles erstmal sehr spannend, weil ich das erste Mal streike. Ich habe allerdings auch das Glück, dass ich an meinem Arbeitsplatz sehr offen über den Streik reden konnte und meine Kolleginnen und ich auf keine Art unter Druck gesetzt wurden, uns nicht am Streik zu beteiligen, auch wenn es unterschiedliche Meinungen dazu gab, wie angebracht unsere Forderungen sind oder ob der Streik überhaupt erfolgreich ausgehen kann. Da haben andere zum Teil schlechtere Erfahrungen gemacht. Mit Blick auf die politische Stimmung unter den Studierenden kann ich sagen, dass ich in den vier Jahren, die ich an der Uni politisch aktiv bin, erst selten gesehen habe, dass ein politisches Thema so präsent auf dem Campus ist. Sei es durch die vielen Plakate, Flurgespräche oder anderes, über die letzten Wochen ist wohl jede und jeder an der Uni irgendwie mit dem Thema in Berührung gekommen. Die Beteiligung am Warnstreik war gut und wir haben als Streikende von Kommiliton_innen und Dozent_innen viel Rückhalt und Solidarität erfahren, obwohl die ja zum Teil die Leidtragenden waren. Ich finde das alles sehr motivierend, auch weil man ja oft hört, dass Studierende heutzutage nur noch mit Scheuklappen durch das Studium hetzen und sich nicht für die eigenen Belange einsetzen. Das ist offensichtlich nicht immer der Fall.
Reagieren die Arbeitgeber bereits auf euren Druck?
Bisher habe ich nur gehört, dass die Arbeitgeber, also die Unis, sich nicht auf uns zubewegen wollen. Mal schauen, ob sich das nach der nächsten Streikwoche ändert. Obwohl man die Einschüchterungsversuche der FU, die den Streik im Vorfeld als rechtswidrig dargestellt hat, ja auch irgendwie als Reaktion verstehen kann.
Was für Aktionen habt ihr für die kommende Zeit geplant?
Diese Woche wird vom 23. bis zum 25. wieder gestreikt. Nebenbei wird es weiterhin Streikversammlungen und kleine Aktionen geben, die sind alle auf der Website der TV Stud-Kampagne aufgelistet. Am Donnerstag gibt es um 13.30 Uhr eine große Demonstration vom Olof-Palme-Platz zur TU. Da würden sich alle Streikenden natürlich freuen, von möglichst vielen solidarischen Menschen unterstützt zu werden!
Bekommt ihr Unterstützung von den Studierenden? Auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen?
Soweit ich das sagen kann unterstützen die meisten Studierenden den Streik, auch wenn sie manchmal selbst vom Streik betroffen sind, etwa wenn ihre Tutorien ausfallen. Aber die meisten haben eben auch irgendjemanden im Freundeskreis, der oder die studentische Beschäftigte ist, und wissen daher worum es geht und warum es angebracht ist, dass wir streiken. Überraschend und auch motivierend war für mich, wie viele Menschen aus anderen Beschäftigtengruppen der Hochschulen sich solidarisch mit dem Streik erklärt haben. Und natürlich unterstützen auch viele linke Organisationen aus Berlin den Streik, zu denen ich als Mitglied von DieLinke.SDS ja auch gehöre. Sogar die Lokalpresse berichtet größtenteils positiv über den Streik. Die Unterstützung scheint mir also ziemlich breit zu sein.
Glaubst du, dass die Tarifauseinandersetzung um einen StudTV auch studentische Beschäftigte in anderen Bundesländern animieren wird, sich gewerkschaftlich zu organisieren und höhere Löhne zu fordern?
Das wäre auf jeden Fall mit das Beste, was dieser Streik erreichen könnte. Studierende können an der Uni leicht ausgebeutet werden. Die Hochschulen nutzen die scheinbar schwache Position von Studierenden aus, um bei teureren Vollzeitstellen sparen zu können. Sowas ist natürlich nicht immer der Fall, das Verhältnis von Lohn zu Arbeitszeit und –intensität unterscheidet sich je nach Bereich. Gegen sowas schützen kann man sich aber nur gemeinsam. Wenn der Streik in Berlin andere dazu inspiriert, sich gewerkschaftlich zu organisieren und für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne einzusetzen, wäre das ein großer Erfolg für unsere Auseinandersetzung.
Was können studentische Beschäftigte und Studierende aus anderen Bundesländern tun, um euren Kampf zu unterstützen?
Genau das, worüber wir gerade gesprochen haben: Selbst aktiv werden. Eine bundesweite Bewegung für die Interessen studentischer Beschäftigter würde die Verhandlungspositionen aller studentischer Tarifkommissionen immens erhöhen und einen öffentlichen Druck entfalten, den keine Stadt allein erreichen kann.
Die Fragen stellte Dr. Florian Wilde, Referent gewerkschaftliche Erneuerung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.