Von der SPD-Linken zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) 1927-1933

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»Den nach Hoffnung hungernden Massen den Sozialismus als einzig mögliche Rettung aus der Krise zeigen.« Die Entwicklung der SPD-Linken von der Klassenkampf-Gruppe zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). Von Florian Wilde. In: Marcel Bois, Bernd Hüttner (Hg.): Beiträge zur Geschichte einer pluralen Linken, Heft 1: Theorien und Bewegungen vor 1968, S.22-26.

Von den Regierungsbeteiligungen bis 1930 und der folgenden Tolerierung der Rechtsregierung Brünings durch die SPD enttäuscht, spaltete sich der linke Flügel der SPD 1931 ab und gründete die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP). Sie war die bedeutendste unter den zwischen SPD und KPD stehenden, unabhängigen sozialistischen Gruppierungen in der Endphase der Weimarer Republik.

Gegen Regierungsbeteiligungen, für ein sozialistisches Profil: Die Klassenkampf-Gruppe
Die SPD-Linke in den »Goldenen Zwanzigern« war eine überaus heterogene Strömung. Sie speiste sich aus drei verschiedenen Quellstrukturen: aus Teilen der 1922 wieder zur SPD gestoßenen Rest-USPD; aus sächsischen und thüringischen Sozialdemokraten, die seit dem Sturz der verfassungsmäßigen SPD-KPD-Koalitionen in Mitteldeutschland durch die Reichswehr 1923 in Opposition zum Parteivorstand standen, der diesen Einmarsch unterstützt hatte und aus einer Gruppe dissidenter Kommunisten um den ehemaligen KPD-Vorsitzenden Paul Levi, die sich erst der Rest-USPD und dann mit dieser der SPD angeschlossen hatte. Bis zu seinem Tod 1930 war Levi der unumstrittene theoretische Kopf der Linken.
Einen wichtigen Versuch zur Vereinheitlichung des linken Flügels stellte die Herausgabe der Halbmonatsschrift »Der Klassenkampf« ab Oktober 1927 dar. Herausgeber war Max Seydewitz, SPD-Reichstagsabgeordneter und späterer Vorsitzender der SAP. Stark beeinflusst war sie anfangs vom Austromarxismus. Ein führender Vertreter dieser Strömung, der Österreicher Max Adler, gehörte zu ihren Mitarbeitern. Ein Jahr später vereinigte sich dievon Levi herausgegebene »Sozialistische Politik und Wirtschaft« mit dem »Klassenkampf« und zog das Blatt weiter nach links. Mit einer Auflage von bis zu 2 500 Exemplaren wurde der »Klassenkampf« bald zum Kristallisationspunkt der gesamten sozialdemokratischen Linken und beeinflusste eine Reihe weiterer linker Publikationen.
Besonders eng war das Verhältnis zu den Jusos. Viele Linksoppositionelle hofften, durch den »Klassenkampf« die Heterogenität der Linken in eine lebendige politische Debatte zu kanalisieren und so zu einer gemeinsamen politischen Linie sowie zu einer inhaltlich und organisatorisch geschlosseneren Opposition zu gelangen. Die Klassenkampf-Gruppe, wie die Strömung bald genannt wurde, bildete den Kern einer breiteren sozialdemokratischen Linken. Diese erhielt beispielweise für ihren Leitantrag »Opposition statt Koalition« auf
dem Kieler Parteitag 1927 ein Viertel der Delegiertenstimmen (83:255).
Den Wahlkampf zur Reichstagswahl 1928 führte die SPD unter dem von der Klassenkampf-Gruppe vorgeschlagenen Slogan »Kinderspeisung statt Panzerkreuzer«. Die Konflikte mit dem Parteivorstand nahmen zu, als sich die SPD anschließend an einer Großen Koalition beteiligte. Denn kaum in die Koalition eingetreten, stimmte die Partei dem Bau des eben noch abgelehnten Panzerkreuzers zu.
Trotz aller Bemühungen gelang es der Klassenkampf-Gruppe nie, die grundlegenden Schwächen der SPDLinken zu überwinden: ihren Mangel an organisatorischer Geschlossenheit und an theoretischer Klarheit. Fritz Bieligk, Mitarbeiter der Zeitschrift, schrieb später, die SPD-Linke sei »nie eine organisierte Gruppe« gewesen.
»Es ließ sich daher nie genau sagen, wer zu ihr gehörte und wer nicht. In ihren zwanglosen Zusammenkünften […] kamen fast immer stark von einander abweichende Meinungen auch zu aktuellen und politischen Entscheidungen zum Ausdruck.«
Hinzu kam ihre Fixierung auf die Parlamente, in denen sie einige Anhänger in den SPD-Fraktionen hatte. Vorschläge zu oder gar die Initiierung von außerparlamentarischen Aktionen gab es kaum. So gelang es nicht, die massive Enttäuschung vieler SPD-Anhänger über den Bau des Panzerkreuzers in außerparlamentarischen Druck umzumünzen. Die Linke fokussierte auf die innerparteilichen Debatten und versuchte nicht systematisch, eine mit ihren politischen Forderungen korrespondierende Praxis an der Basis zu entwickeln.
Diese Schwächen wurden besonders deutlich, als sich mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 die Rahmenbedingungen linker Politik in Deutschland entscheidend veränderten. Unter dem Eindruck von zusammenbrechender Produktion und explodierender Arbeitslosigkeit zerbrach die Große Koalition. An ihre Stelle trat das autoritäre, mit Hilfe von Notverordnungen regierende Präsidialkabinett des Reichskanzlers Heinrich Brüning. Seine Antwort auf die Krise war eine deflationistische Sparpolitik (Demontage des Sozialstaates, Erhöhung der indirekten Steuern, Kürzungen von Löhnen und Gehältern), die die Notlage gerade der proletarischen
Bevölkerung weiter verschärfte. Dennoch tolerierte die SPD-Fraktion diese Regierung. Durch die Unterstützung einer Politik, die gerade den unteren Bevölkerungsschichten die Kosten der Krise aufbürdete, trieb die SPD die immer größer werdenden verzweifelten und unzufriedenen Massen in die Arme derer, die scheinbar oder auch tatsächlich radikale Alternativen boten: NSDAP und KPD. Das verheerende Ergebnis dieser Politik zeigte sich in der Reichstagswahl im September 1930: Die NSDAP konnte ihren Stimmenanteil explosionsartig von 2,6 Prozent auf 18,3 Prozent erhöhen. Die SPD verlor massiv, während die KPD Zugewinne erzielte. Gleichsam
über Nacht waren die Nazis zu einer Massenbewegung geworden, von der eine elementare Bedrohung für alle demokratischen und sozialen Errungenschaften der Novemberrevolution 1918 und für die gesamte Arbeiterbewegung ausging. Im Wahlkampf hatte die SPD verkündet: »Verteidigt die Verfassung gegen die ständige Aushöhlung der Verfassung durch Brüning« und »Verteidigt den Lebensstandard der Arbeiterklasse gegen die ständige Reduzierung des Lebensstandards mittels Notverordnungen.« Gleich nach Einberufung des Reichstages stimmte die SPD aber den Notverordnungen Brünings erneut zu. Die SPD-Führung begründete dies mit der Logik des kleineren Übels: Nur durch eine Unterstützung Brünings könne verhindert werden, dass Hitler an die Macht
komme. Mit dieser Politik wurde jedoch, so Wolfgang Abendroth, »die moralische Kraft des reformistischen
Teils der deutschen Arbeiterbewegung für die folgende Krisenperiode gebrochen.«
Verzweifelt bekämpfte die SPD-Linke diesen Kurs und forderte ein Ende von Regierungsbeteiligungen und Tolerierungen.
Anfang 1931 schrieb Max Seydewitz in dem programmatischen Aufsatz »Die Krise des Kapitalismus und die Aufgabe der Arbeiterklasse«: Da der verarmenden Bevölkerung auf den ersten Blick »nicht der an der Krise und dem Elend schuldige Kapitalismus entgegentritt, sondern die Einrichtung des Staates«, werde nicht der Kapitalismus, sondern die mit dem Staat identifizierte SPD von der Bevölkerung für die Misere verantwortlich gemacht. Sie werde zum »Blitzableiter, der für den schuldigen Kapitalismus den Zorn und die Empörung der ins
Elend gestoßenen Massen auffängt.« Dadurch entstände die paradoxe Situation, dass die von der Sozialdemokratie enttäuschten Massen »zu Rekrutierungskontingenten für den Faschismus und so zu Stützen der schuldigen kapitalistischen Klasse [werden], die […] ihre kapitalistische Klassenherrschaft gerade in der Zeit der ärgsten Krise aufrechterhalten kann mit Unterstützung der Opfer der Krise.« Neben der Spaltung der Arbeiterbewegung sei das erschütterte Vertrauen in die Sozialdemokratie der wesentliche Grund für das Wachstum des Faschismus, den es mittels einer Einheitsfront der Arbeiterorganisationen zu bekämpfen gelte. Es reiche aber nicht, beim reinen Abwehrkampf stehen zu bleiben. Die SPD brauche ein »positives sozialistisches Wirtschaftsprogramm«,
welches »an den bestehenden ökonomischen Machtverhältnissen, an der Unantastbarkeit des Profits rütteln will und den Massen einen wirklichen Ausweg aus dieser Krise zeigt«. Keineswegs dürfe der Kampf gegen den Faschismus getrennt werden vom Kampf für soziale Forderungen, sondern er müsse direkt in den Kampf für den Sozialismus übergehen, weil sich nur mit dieser Perspektive die zur Niederringung des Faschismus notwendigen Arbeitermassen mobilisieren ließen.
Ähnliche Gedanken formulierte Seydewitz in dem Aufsatz »Die Aufgabe der Arbeiterklasse«. Ausgehend davon,
dass die gegenwärtige Krise sich von bisherigen Krisen grundlegend unterscheidet und für den Kapitalismus nur
lösbar sei, indem er mit Hilfe des Faschismus der Arbeiterklasse »grauenhafte Bedingungen diktieren, [ihr] alle
Lasten der Krise mit Gewalt aufzwingen wird«, dürfe sich die Sozialdemokratie nicht länger um die »Rettung der
gegenwärtigen Wirtschaft, um die Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft« bemühen, sondern müsse die Massen
mobilisieren »zum Kampf um den Sturz und die Beseitigung dieser kapitalistischen Gesellschaftsordnung.«
Dafür seien konkrete Tagesforderungen »zur Milderung der Wirkung dieser Krise auf die Arbeiterklasse« notwendig.
Um diese durchzusetzen bedürfe es »außerparlamentarische[r] Aktionen, deren Notwendigkeiten den
parlamentarischen Kampf diktieren müssen«. Weiter schrieb Seydewitz: »Die Tagesforderungen, für die die
Sozialdemokratie die Massen auf dem Wege zum sozialistischen Endziel mobilisieren und revolutionieren muß,
müssen starken sozialistischen Einschlag haben, sie müssen den Massen als Rettung aus der hoffnungslosen
Situation erscheinen.«
Allen Aufforderungen der Linken zum Trotz, die Tolerierung Brünings zu beenden und endlich kämpferisch für
die Interessen der Arbeiterklasse einzutreten, hielt die SPD-Führung an ihrem Kurs fest. So wuchs bei den zur
Klassenkampf-Gruppe gehörenden Reichstagsabgeordneten die Bereitschaft, ihren Überzeugungen zu folgen und
die Tolerierung Brünings nicht mehr mitzutragen. Bei der Abstimmung über die Bewilligung weiterer Gelder für
den Bau von Panzerkreuzern am 20. März 1931 stimmten neun linke Abgeordnete mit den Kommunisten gegen
die Regierungsvorlage. Es war der sensationellste Fraktionsbruch in der SPD seit dem Ersten Weltkrieg und
gleichzeitig der Startschuss zum Losschlagen des Parteivorstandes gegen die Linksoppositionellen. Sie wurden
nun vor die Alternative gestellt: Kapitulation oder Ausschluss. Die Linken verweigerten die Kapitulation und verfassten
im Juni 1931 einen »Mahnruf an die Partei«, in dem sie forderten: »Die Partei muß jetzt den Kampf um
die Macht mit allen Mitteln unter sozialistischen Losungen aufnehmen und den nach Hoffnung hungernden Massen
den Sozialismus als einzig mögliche Rettung aus dieser Krise zeigen.«
Daraufhin begann der Parteivorstand, entschlossen gegen die sich weiter ausbreitende und organisatorisch verfestigende
Linke vorzugehen, um so zu verhindern, das eine etwa im Zusammenhang mit der Reichstagsdebatte
über neue Notverordnungen im Oktober gestärkte Linke von sich aus eine Spaltung der Partei wagen könnte. Die
Herausgabe einer neuen linken Zeitschrift (»Die Fackel«) wurde als Anlass genommen, mit den Abgeordneten
Seydewitz und Kurt Rosenfeld die führenden Köpfe der Linken auszuschließen. Ausschlüsse von vier weiteren
linken Reichstagsabgeordneten (August Siemsen, Heinrich Ströbel, Hans Ziegler und Andreas Portune) folgten.
Ihnen und ihren Anhängern blieb nichts anderes übrig, als den Weg zum Aufbau einer neuen Partei zu beschreiten.
Die Umstände des Ausschlusses ließen die Schwächen der SPD-Linken noch einmal deutlich werden. Zwar
hatten sie sich seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise stark radikalisiert und außerparlamentarischen Aktionen
immer mehr Gewicht beigemessen. Eine inhaltlich und organisatorisch wirklich geschlossene Linke war aber
nicht entstanden. Nur so ist es zu erklären, dass der Parteivorstand und nicht die Opposition die Schritte hin zur
Spaltung diktieren konnte. Der SAP-Historiker Hanno Drechsler schreibt: »Selbst wenn man einmal unterstellt,
daß die Spaltung der SPD im Interesse der Arbeiterbewegung früher oder später notwendig gewesen wäre,
spricht gegen die Führung der Linken, daß sie sich zu einem dem Parteivorstand genehmen Zeitpunkt aus der
Partei hinausmanövrieren ließ. Eine politisch zielbewußte Opposition hätte dem Parteivorstand den Termin der
Spaltung aufzwingen müssen.«

Im Ringen um die Einheitsfront: Die Sozialistische Arbeiterpartei
Sofort nach den Ausschlüssen lud die Opposition Anfang Oktober 1931 zu einer Reichskonferenz. Anwesend waren
88 ordentlich gewählte Delegierte, 127 Gastdelegierte und rund 200 überwiegend jugendliche Gäste. In seinem
Referat erklärte Seydewitz, die (stalinisierte) KPD sei für die Ausgeschlossenen wegen ihrer mangelnden innerparteilichen
Demokratie keine Alternative. »Wenn wir den geringsten Versuch machen würden, einen Kampf
in der KPD um eine Änderung ihres Kurses zu machen, dann würden wir vielleicht zwanzigmal schneller aus der
KPD herausfliegen als aus der SPD.« Notwendig sei daher die Gründung einer neuen Partei, der »Sozialistischen
Arbeiterpartei Deutschlands« (SAP). Oberste Aufgabe der SAP müsse es sein, die »Voraussetzung zu schaffen
für die Einheit der Arbeiterklasse« im Kampf gegen den Faschismus und zum »Sturz des kapitalistischen
Systems«: »Ich sage euch, so müssen wir uns als neue Organisation betrachten, als die Organisation, die die
Brücke schlägt über die tiefe Kluft zwischen SPD und KPD. « Denn trotz der ständig wachsenden Nazi-Gefahr
bekämpften sich die großen Arbeiterparteien weiter und sahen einander oft genug als eigentlichen »Hauptfeind«.
Den Schritt zum Aufbau einer neuen Partei machte aber nur eine Minderheit der SPD-Linken mit.
Für die Teile der Weimarer Linken, die außerhalb von SPD und KPD verzweifelt für eine Korrektur des Katastrophenkurses
der beiden großen Parteien der Arbeiterbewegung und für eine antifaschistische Einheitsfront kämpften
bzw. versuchten, eine neue sozialistische Linke zwischen Stalinismus und Reformismus aufzubauen, war die
Gründung der linkssozialistischen SAP ein Ereignis von allerhöchstem Interesse. Noch im Oktober 1931 schloss
sich der »Sozialistische Bund« um Georg Ledebour, einem der bekanntesten Veteranen der deutschen Arbeiterbewegung,
der neuen Partei an. Am 1. November stieß die kleine, radikalpazifistische (Rest-)USPD des Liebknecht-
Sohnes Theodor hinzu. Einzelne Mitglieder kommunistischer Kleingruppen traten ebenfalls in die SAP
ein. Von nichtorganisierten linkssozialistischen Intellektuellen wie Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky, Käthe
Kollwitz, Albert Einstein und Lion Feuchtwanger wurde die Gründung der SAP begeistert begrüßt, einige wie
Fritz Sternberg schlossen sich ihr an. Anfang 1932 traten ca. 1 000 Mitglieder der KPO (Kommunistische Partei-
Opposition) um die beiden KPD-Mitbegründer Paul Frölich und Jacob Walcher in die neue Partei ein. Ihr erklärtes
Ziel war die »Eroberung der SAP für den Kommunismus«. Dies gelang ihnen im Bündnis mit dem linken Flü-
gel der SAP auf der Grundlage eines starken Linkstrends in der Mitgliedschaft: Auf dem (bereits illegal abgehaltenen)
Parteitag der SAP im März 1933 gab sich die Partei ein revolutionär-sozialistisches Programm. Die Arbeit
der KPO in der SAP kann als eines der erfolgreichsten Entrismus-Projekte in der Geschichte revolutionärer Organisationen
in Europa überhaupt betrachtet werden.
Oberstes Ziel der SAP war die Schaffung einer antifaschistischen Einheitsfront. Dies war für sie nur über die Bildung
einer Massenpartei zu erreichen, um so SPD und KPD tatsächlich zu einer Kurskorrektur zu zwingen. Man
hoffte auf massenhaften Zustrom von über die Anpassungspolitik der SPD enttäuschten Sozialdemokraten und
von den autoritären Methoden ihrer stalinistischen Führung abgestoßenen Kommunisten. Im März 1932 hatte die
SAP 25 000 Mitglieder, ihr »Sozialistischer Jugendverband« (SJV) bis zu 10 000 Mitglieder, die v. a. aus den
Jusos und der SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend, SPD-Jugendorganisation) gekommen waren. Damit war der
organisatorische Höhepunkt der SAP aber bereits erreicht, die Hoffnung, eine Massenpartei zu werden, erfüllte
sich nie. Bei den Wahlen, bei denen sie kandidierte, erzielte sie mickrige Ergebnisse. In der Todeskrise der Weimarer
Republik und angesichts des kometenhaften Aufstiegs der NSDAP waren die meisten Arbeiter – trotz aller
Sympathien – offensichtlich nicht bereit, sich auf das Wagnis des Aufbaus einer neuen Partei einzulassen. Sie
blieben trotz aller Kritik und Enttäuschung den beiden großen Parteien treu.
Das historische Verdienst der SAP liegt darin, die Gefahr des Faschismus viel klarer als die großen Organisationen
erkannt zu haben. Verzweifelt setzte sie sich für eine Einheitsfront der Arbeiterorganisationen im Kampf
gegen die Nazis ein. Immer wieder rief sie zu einem gemeinsamen Kampf der linken Organisationen gegen die
Nazis und gegen die Abwälzung der Kosten der Krise auf die Massen auf. 1932 hieß es in einem Apell der SAP
an KPD, SPD und Gewerkschaften: »Der Bruch in der deutschen Arbeiterbewegung geht tief, aber nicht minder
tief ist das Verlangen, ihn in dieser Stunde akuter Gefahr zu überbrücken und jedenfalls nicht an ihm den Kampf
für diejenigen Forderungen scheitern zu lassen, die die Arbeiterschaft über alle grundsätzlichen, politischen und
taktischen Meinungsverschiedenheiten hinweg einen. Einmütigkeit besteht in dem Willen zur Abwehr des
Faschismus, zur Abwehr des Lohnabbaus, zur Verteidigung der Sozialgesetzgebung, zur Bekämpfung aller
Kriegsgefahren. Wir schlagen euch darum vor, diese vier Punkte als Möglichkeit einer gemeinsamen Aktion aller
Organisationen der Arbeiterschaft zu machen.« Den Anti-Nazi-Kampf sah die SAP als Möglichkeit für die Linke,
zusammenzukommen und ein neues Gefühl der Stärke zu entwickeln. In ihrem Aktionsprogramm hieß es: »Es
gilt daher vor allen Dingen, durch einheitliche Aktionen gegen den Faschismus die Arbeiterklasse wieder zum
Bewusstsein ihrer Kraft […] zu bringen.« Erfolgreiche Abwehrkämpfe gegen den Faschismus sah sie als eine Bedingung
für das Selbstvertrauen, um den Kapitalismus zu bekämpfen zu können.
Ihre geringe Größe verdammte die SAP allerdings dazu, der Geschichte Weimars keine entscheidende Wendung
mehr geben zu können. Von Anfang an war ihr Einfluss in der Arbeiterbewegung zu gering, um SPD und KPD
von ihrem Kurs abzubringen. Und so war sie dazu verurteilt, den Sieg des Faschismus im Wissen von der Möglichkeit,
ihn mittels einer Einheitsfront stoppen zu können, weitgehend ohnmächtig voraussehen und erleben zu
müssen. Nur in Orten, in denen sie über eine Massenbasis verfügte, konnte sie erfolgreiche Einheitsfrontaktionen
erzwingen. In Klingenthal im Voigtland, einer SAP-Hochburg, kamen 1 500 Menschen (bei 6 500 Einwohnern)
zu einer Veranstaltung »Wie schaffen wir die Einheitsfront« zusammen mit der KPD, auf der eine gemeinsame
Kampf-Formation gebildet wurde. Insgesamt musste die Partei aber feststellen: »Die Gefahr wächst lawinenartig,
die Einheitsfront nur im Schneckentempo.«
Sofort nach der Machtergreifung durch die Nazis stellte sich die SAP auf illegale Widerstandstätigkeit um.
Gemessen an ihrer Größe war sie vermutlich die Organisation, die den intensivsten Widerstand leistete. Noch im
Januar 1934 hatte sie bis zu 14 000 illegal arbeitende Mitglieder. Mitte der 1930er wurden die meisten ihrer
Strukturen zerschlagen, aber noch 1937 dürfte die Partei etwa 1 000 aktive Mitglieder in Deutschland gehabt
haben. An einigen Orten arbeiteten Organisationskerne der SAP bis Kriegsende weiter. Hunderte SAPler mussten
ins Exil gehen. Etliche schlossen sich im spanischen Bürgerkrieg den Milizen der marxistischen POUM an. Im
Widerstand wie im Exil setzte sich die Partei weiter für eine Einheitsfront ein. Nach Kriegsende schlossen sich
einige Mitglieder der SED an, andere bildeten einen neuen linken Flügel in der SPD um die Zeitschrift »Funken«.
Ehemalige SAPler wie der spätere SPD-Vorsitzende und Bundeskanzler Willy Brandt oder der langjährige IGMVorsitzende
Otto Brenner spielten nach 1945 eine wichtige Rolle in SPD und Gewerkschaften.