(critica) Die Welt taumelt in den Abgrund der tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Eine globale Rezession mit ihren Folgen Massenarbeitslosigkeit, sinkender Kaufkraft und sozialer Verelendung auch in den Metropolen zeichnet sich deutlich ab. Gleichzeitig stürzt die seit den 80er Jahren dominierende Herrschaftsideologie, der Neoliberalismus, in eine tiefe Krise. Sein Heilsversprechen von steigendem Wohlstand durch Privatisierung, Deregulierung und freie Märkte entpuppt sich vor aller Augen als eine große Lüge.
Die Linke an den Unis und in der ganzen Gesellschaft steht vor der Herausforderung einer neuen Epoche von Kämpfen und Auseinandersetzungen mit offenem Ausgang. Sie darf ihre Rolle dabei nicht darauf beschränken, kleinere Korrekturen im Rahmen des Systems zu fordern, sondern sollte diese Krise als Chance begreifen, grundlegende demokratische und sozialistische Alternativen zum Kapitalismus wieder in der öffentlichen Debatte zu verankern.
Die wesentliche Frage in den nächsten Monaten wird sein, wer für die Kosten der Krise zahlen soll. Das Kapital wird versuchen, seine Profite durch eine Abwälzung der Kosten ihrer Krise auf die abhängig und prekär Beschäftigten und die Arbeitslosen hochzuhalten.
Eine für weitere Sozialkürzungen notwendige Verzichtsideologie steht aber vor einem massiven Problem: Mit Verweis auf leere Kassen wurde uns jahrelang alles Mögliche von Sozialabbau bis Studiengebühren zugemutet. Nun zeigt sich: Wenn es um die Interessen der Eliten geht, sind Summen in unvorstellbarer Höhe mobilisierbar. Deswegen stehen aber auch die Chancen nicht schlecht, in vielen Bereichen Widerstand gegen eine Abwälzung der Kosten der Krise auf uns zu organisieren. Die Logik der Privatisierung der Gewinne und gleichzeitiger Sozialisierung der Verluste kann durchbrochen werden, die Verursacher und Profiteure der neoliberalen Politik müssen selbst die Kosten ihres Desasters tragen!
Mit der ökonomischen Krise geht eine tiefe Krise der herrschenden Ideologie einher. Die gleichen, die viele Jahre lang freie Märkte forderten, reden nun über Verstaatlichungen und Konjunkturpakete. Die Fronten der öffentlichen Auseinandersetzung verschieben sich dramatisch. Die Linke muss hier mit radikalen Demokratisierungsforderungen eingreifen. Denn die Krise der Diktatur der Märkte eröffnet ein Fenster für eine wirtschaftliche Demokratisierung. Offensichtlich war es unverantwortlich, wesentliche Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge dem Irrsinn des Marktes zu überlassen. Sie müssen unter demokratischer Kontrolle von Beschäftigten, NutzerInnen und Kommunen in Gesellschaftseigentum umgewandelt werden. Gerade jetzt, wo die Neoliberalen den Staat für ihre Zwecke entdecken, dürfen wir nicht bei Verstaatlichungsforderungen stehen bleiben, sondern es gilt, weitergehende Forderungen nach radikaler Demokratisierung und Vergesellschaftung von öffentlicher Daseinsvorsorge und Schlüsselindustrien zu entwickeln.
Die Tiefe der ideologischen Krise eröffnet für die Linke aber auch in einem seit langen Jahren nicht gekannten Ausmaß die Möglichkeit, grundsätzliche Fragen über das kapitalistische System aufzuwerfen, Alternativen aufzuzeigen und damit potentiell Millionen Menschen zu erreichen. Die Krise ist nicht Ausdruck der Gier einzelner Kapitalisten, sondern eines Systems, dass die Steigerung der Profite in das Zentrum allen wirtschaftlichen Handelns stellt. Diese Profitlogik der Marktwirtschaft gilt es grundsätzlich zu hinterfragen. Das Schicksal der Menschheit darf nicht länger in die Hände eines von privaten Profitinteressen getriebenen Marktes gelegt werden! Es ist Zeit für einen demokratisch-sozialistischen Aufbruch in eine Welt, in der endlich die Bedürfnisse der übergroßen Mehrheit der Menschen im Zentrum stehen, und nicht mehr die Profitinteressen winziger Minderheiten.
Finanzminister Steinbrück sagt: Die Welt wird nach der Krise eine andere sein. Es ist auch an uns, dafür zu sogen, dass sie wenigstens ein Stück weit demokratischer, sozialer, humaner und friedlicher wird als bisher – und dafür, dass ein demokratischer Sozialismus endlich wieder als Systemalternative öffentlich wahrgenommen wird.
von Florian Wilde, Mitglied im Bundesvorstand dielinke.SDS
Die Systemfrage stellen!
von Florian Wilde. Veröffentlicht in Critica.EXTRA