Organizing gehört zu den spannendsten Ansätzen in den aktuellen Debatten um eine Neuausrichtung der Gewerkschaften. Daher ist das Erscheinen des Sammelbandes „Never work alone“ mit dem programmatischen Untertitel „organizing – ein Zukunftsmodell für Gewerkschaften“ sehr zu begrüßen. Das Konzept des organizing stammt aus den USA. Umfassende, strategisch geplante Auseinandersetzungen mit dabei klar als Gegnern begriffenen Unternehmen werden bei diesem Ansatz mit einer neuen Betonung der Selbstaktivität der Beschäftigten in den Betrieben kombiniert. Ihnen kommt in den häufig an die Erfahrungen aus sozialen Bewegungen angelehnten Kampagnen die zentrale Rolle zu. Eine Gewerkschaft ist beim organizing keine stellvertretend für ihre Mitglieder agierende Institution, sondern sie leitet ihre Mitglieder zu eigenen Aktivitäten an.
Denn nur eine kämpferische, sich selbst als Gewerkschaft begreifende Belegschaft, die im Bündnis mit sozialen Bewegungen ihren Arbeitgeber auf allen Ebenen unter Druck zu setzen versucht, hat im globalisierten Kapitalismus eine Chance auf Erfolge.
Organizing bildet den Hintergrund eines bedeutenden Wachstums kämpferischer amerikanischer Gewerkschaften in den letzten Jahren. Der Gewerkschaft SEIU (Service Emloyees International Union) etwa gelang eine Verdoppelung (!) ihrer Mitgliederzahl seit Mitte der 90er Jahre auf jetzt fast 2 Millionen Mitglieder. Dieses Wachstum gelang vor allem in ausgelagerten Bereichen mit meist prekären Beschäftigungsverhältnissen, mit deren Organisierung deutsche Gewerkschaften bisher große Schwierigkeiten haben.
Vor dem Hintergrund der Krise der deutschen Gewerkschaften (Mitgliederverluste; Schwierigkeiten, deutliche Lohnerhöhungen durchzusetzen sowie Entlassungen und Arbeitszeitverlängerungen abzuwehren; Probleme bei der Organisierung prekär Beschäftigter…) ist auch hierzulande eine Debatte um organizing und social movement unionism (dem Verständnis von Gewerkschaft als einer sozialen Bewegung) in Gang gekommen. Mit der Lidl-Kampagne und einem organizing-Projekt im Hamburger Wach- und Sicherheitsgewerbe wurden bereits erste Versuche zur Anwendung der neuen Konzepte unternommen.
Von diesen konkreten Versuchen, ihren Erfolgen und Schwierigkeiten berichten die in diesen Kampagnen Aktiven in „Never work alone“. Eingebettet werden ihre Erfahrungen in eine ausführliche Darstellung verschiedener organizing-Modelle sowie einer Auswertung der Arbeit von organizing-Gewerkschaften in den USA, Großbritannien und Australien.
Organizing, verstanden als eine Strategie zur Stärkung und zur gleichzeitigen Transformation der Gewerkschaften, kann einen Weg aus ihrer Krise weisen und sollte von linken GewerkschafterInnen unbedingt forciert werden. Die im organizing angelegte Betonung von Basisarbeit und Selbstaktivität sowie einer auf allen Ebenen konfrontativen Haltung zu den Unternehmern kann einen wichtigen Beitrag leisten, der Aufkündigung des Klassenkompromisses von oben eine kämpferische Antwort von unten entgegenzusetzen.
Von Florian Wilde
Eine neue Form der Gewerkschaft
Rezension zu Peter Bremme, Ulrike Fürniß, Ulrich Meinecke (Hrsg.): „Never work alone. Organizing – ein Zukunftsmodell für Gewerkschaften“, VSA Verlag 2007, 280 Seiten, 19,80 Euro. Veröffentlicht in marx21